Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 14.06.2012, Seite 15 / Natur & Wissenschaft

Die Aufregerin

Frankfurt/Main. Margarete Mitscherlich ist am Dienstag im Alter von 94 Jahren in Frankfurt/Main »ganz friedlich im Kreis der Familie eingeschlafen«, wie ihr Sohn Matthias erklärte. Geboren 1917 im deutsch-dänischen Grenzgebiet als Tochter einer Lehrerin und eines Landarztes, studierte die spätere »Grande Dame der Psychoanalyse« als zu diesem Zeitpunkt noch hellauf begeisterte Antroposophin erst Philologie, später dann Medizin. Um dieses Studium fortzusetzen, kehrte sie nach der Währungsreform 1948 zurück nach Heidelberg, das sie 1944 verlassen hatte: »Es war amüsant«, erinnerte sie sich 2009 im Gespräch mit der Süddeutschen: »In der etablierten Universität Heidelberg bestand die gleiche Hierarchie weiter, als sei nichts passiert. Die Herren (...) hingen dem Glauben an: ›Der Krieg ist vorbei, wir haben gehungert, aber jetzt brauchen uns ja die Amerikaner gegen die Russen.‹« 1955 heiratete sie ihren 1982 gestorbenen Mann Alexander. Der brachte sie zur Psychoanalyse. 1967 traf das Ehepaar mit seinem Buch »Die Unfähigkeit zu trauern« den Nerv der Zeit. Es geht darin um die rauschhafte Führerverehrung der Nazideutschen und die Gefühlskälte im Wirtschaftswunderland BRD. Ob der Mensch nicht »einen der folgenschwersten Fehlwege der Evolution« darstelle, fragt das Buch. Spätere Forschungen ließen von den Theorieversatzstücken in ihm wenig übrig. Die Verstorbene selbst erklärte einmal, ihre Thesen stimmten »immer irgendwo auch«. Ihr wichtigstes eigenes Buch »Die friedfertige Frau« von 1985 war ebenfalls ein echter Aufreger, aber nicht sonderlich substantiell. Mitscherlich war lange führendes Mitglied der Psychoanalytischen Vereinigung und Herausgeberin der Zeitschrift Psyche. In ihrer Praxis für Psychoanalyse im Frankfurter Westend behandelte sie auch einen prominenten 68er.

(jW)

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