Gegründet 1947 Mittwoch, 22. Januar 2025, Nr. 18
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
22.08.2000 / Feuilleton

Leserbriefe

Kritikloses Hochjubeln

Zu jW vom 17. August: »Gegen eine >Zentrale des Kapitalismus<«

Dirk Burczyk schreibt in seinem Beitrag über die geplanten Anti-IWF-Aktionen in Prag: »Ob es hier zu ähnlichen Auseinandersetzungen wie in Seattle kommen wird, bleibt abzuwarten, ist aber eher unwahrscheinlich; auf der einen Seite dürfte das Protestpotential zu klein, auf der anderen die Polizei zu stark sein.« Ich nehme an, daß er mit dieser Einschätzung Recht behalten wird. Die Frage allerdings ist: Wie kommt das, und was ist dagegen zu tun? (...)

Hatten an den Aktionen in Seattle im Herbst 1999 gegen die WHO ca. 50 000 Menschen teilgenommen, so waren es in Washington DC nur noch etwa 15 000. Konnten in Seattle die Polizei und die Gewerkschaftsführung von den studentischen und Umweltaktivisten noch überrascht und so das WHO- Treffen physisch behindert werden, erwies sich in Washington DC beides als unmöglich. Die Polizei war vorbereitet, weniger brutal als in Seattle, aber effektiver, und die Gewerkschaftsführung - eng mit der sich im Wahlkampf befindenden Demokratischen Partei verbunden, die ebenso ein Ausdruck des Imperialismus ist wie IWF und Weltbank - sorgte durch die Organisierung ihrer eigenen von nationalistischen Parolen vergifteten Protestdemonstration vier Tage vor der des restlichen Spektrums dafür, daß die Protagonisten der Strategie der »direkten Aktion« dieses Mal völlig isoliert blieben.

Wichtiger aber dürfte Folgendes sein: Seattle wurde vom größten Teil der Linken weitgehend unkritisch zu einem großen Sieg, wenn nicht einem historischen Durchbruch hochstilisiert. Die Zeit zwischen Seattle und Washington DC und wohl ebenso Prag hat jedoch gezeigt, daß sich an der imperialistischen Ausbeutung und Unterdrückung nirgendwo auch nur ein Jota geändert hat.

Durch das kritiklose Hochjubeln jedoch wurde auch die Chance vertan, zumindest einem Teil der Gegner dieser Institutionen dabei zu helfen, ihre reformistischen Illusionen zu überwinden, und so die notwendige Grundlage für einen auf die Dauer aussichtsreichen Kampf zu schaffen. Selbt die Parolen der radikalsten Vertreter der Anti- Globalisierungsbewegung richten sich im allgemeinen nicht gegen das kapitalistische System selbst, und wo sie es doch einmal tun, sind sie nicht mit einer politischen Strategie revolutionären Klassenkampfes verbunden, ohne den eine solche Kritik zahnlos bleibt.

Für viele gutmeinende Kritiker und Gegner der genannten imperialistischen Insitutionen blieb deshalb, nachdem der erste Rausch verflogen war, nach Seattle ein Vakuum. Seattle kann nicht einfach wiederholt werden, etwas Besseres ist aber nicht in Sicht. Die vermeintlich revolutionären Organisationen, die sich auf das Applaudieren für die Massenmilitanz beschränken, haben daran ihren Anteil. So bleibt man am besten gleich zu Hause. Der wirkliche Kampf gegen die von WTO, IWF und Weltbank vermittelten imperialistischen Angriffe auf die Massen weltweit wird ungeachtet aller Begrenztheiten einstweilen vorallem von der Arbeiterklasse und den verarmten kleinbürgerlichen Massen in Indonesien gegen das Suharto-Regime, in Korea und in Simbabwe, in Ecuador und Bolivien, in Argentinien oder Südafrika gegen die IWF-Verarmungsprogramme geführt. Wenn er auch von der Arbeiterklasse in den imperialistischen Ländern geführt wird, kann er siegen. Dazu aber ist es notwendig, mit dem Reformismus - auch in seinen militantesten Formen - zu brechen. Die Aktivitäten der von Burczyk aufgeführten Kräfte gehen jedoch nicht in diese Richtung.

K. Freytag, Bonn

Zuerst in die eigene Wählerschaft horchen

Zu jW vom 16. August: Leserbrief »Um welchen Preis?«

Es ist absurd, wenn ein PDS-Minister in seiner Regierungstätigkeit zuerst die Interessen der SPD- und CDU- Wähler vertreten will, die ihn gar nicht gewählt haben. Denn das sind doch vor allem diejenigen, die der PDS Politikunfähigkeit vorgeworfen hätten, wenn sie der Steuerreform nicht zugestimmt hätte. Ob es diese Leute der PDS bei der nächsten Wahl danken werden? Ich meine, Herr Holter & Co. sollten zuerst in die eigene Wählerschaft/Partei hineinhorchen, welche Kompromisse möglich sind und akzeptiert werden. Von uns haben sie ihr Mandat erhalten, nicht von den Wählern der anderen Parteien!

Henry Peters, Pasewalk

Artikel-Länge: 4293 Zeichen

Uneingeschränkter Zugriff auf alle Inhalte: Erleben Sie die Tageszeitung junge Welt in gedruckter oder digitaler Form – oder beides kombiniert.

Nachrichtenauswahl und -aufbereitung erfordern finanzielle Unterstützung. Die junge Welt finanziert sich größtenteils durch Abonnements. Daher bitten wir alle regelmäßigen Leser unserer Artikel um ein Abonnement. Für Neueinsteiger empfehlen wir unser Online-Aktionsabo: Einen Monat lang die junge Welt als Onlineausgabe bereits am Vorabend auf jungewelt.de und als App für nur sechs Euro lesen. Das Abo endet automatisch, keine Kündigung erforderlich.

Dein Abo zählt!

Weitere Optionen unter: www.jungewelt.de/abo.

Bitte einloggen
Hilfe bei Einlog-Problemen

Abo abschließen

Gedruckt

Printabo

Sechs mal die Woche: Hintergrund und Analysen, Kultur, Wissenschaft und Politik. Und Samstag acht Seiten extra.

54,90 Euro/Monat Soli: 69,90 €, ermäßigt: 36,90 €

Online

Onlineabo

24/7: Sofortiger Zugang zu allen Artikeln und Beilagen. Downloads, Mailausgabe, Features, das ganze Archiv.

28,90 Euro/Monat Soli: 39,90 €, ermäßigt: 18,90 €

Verschenken

Geschenkabo

Anderen eine Freude machen: Verschenken Sie jetzt ein Abonnement der Printausgabe.

54,90 Euro/Monat Soli: 69,90 €, ermäßigt: 36,90 €