Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 09.11.2012, Seite 13 / Feuilleton

Über Einsamkeit

Am Mittwoch gab es in der Berliner Akademie der Künste einen Abend mit den ungarischen Intellektuellen György Konrád und György Dalos. »Worin besteht dein Judentum, wenn es sich dabei um keine Religion und keine traditionelle Gemeinschaft handelt?« hatte Amoz Oz einmal gefragt und damit letztlich György Konráds neuen Essayband »Über Juden« ausgelöst: »Ich bin Jude, weil ihr uns umbringen wolltet«. Die Personalisierung nennt die Adressen. »Wenn ich voller Rasierschaum in den Spiegel schaue, kommt mir nicht in den Sinn, daß ich Jude bin«. Das seien »so Kindergeschichten« sagte er über die Zeit, als die Faschisten die Hälfte der Budapester Juden der Vernichtung zuführten, nicht zuletzt in Gestalt der ungarischen Gendarmerie in ihrer »hingebungsvollen Gnadenlosigkeit«.

Als der zweite Weltkrieg ausbrach, war Konrád sechs. Im Radio »drohte eine unangenehme Stimme mit Ausrottung. Ich wußte, ›Ausrottung‹ ist das Wort der Stunde«. Das ungarische Parlament verabschiedete bald darauf ein Gesetz, »das Juden ein Auskommen fast unmöglich machte«. Konrád erzählte das Dalos – und Dalos erzählte, wie er Konráds frühe Sachen aus der Reinigung staatlicher Zensur wieder in den Zustand ihrer poetischen Ordnung gebracht hat, nämlich mit der Wiedereinsetzung der verbotenen Seiten im Samisdatstil. Im Ruhm ging Konrád dem Kollegen voran, der indes feststellte: »Jeder Mensch hat mehrere Sehnsüchte von sich selbst in sich. Ein wirklicher Mensch kommt nicht aus mit einer Identität«. Früh übte sich Konrád in der Disziplin des Außenseiters: »Einsamkeit muß genau so gelernt werden wie dieses Gemeinsam«. Das klang nach tragischer Anekdote. »Die Sehnsucht der Juden nach Gemeinschaft ist ergreifend. In Israel haben sie es geschafft, als Staat einsam zu sein«. (Jatu)

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