Rühe will neue Abschreckungstruppe für Bosnien
Volker Rühe, oberster Freund eines jeden Bundeswehrsoldaten, hat mit Äußerungen zur Nachfolge der Bosnien-Truppe SFOR für Irritationen bei der NATO und dem Bündnispartner Großbritannien gesorgt. In einem am Sonnabend vorab veröffentlichten Interview des Spiegel sagte Verteidigungsminister Rühe, nach Ablauf des SFOR-Mandats Mitte 1998 könne eine kleinere, flexible Truppe für Abschreckung sorgen. Daran werde sich die Bundeswehr beteiligen. Aus NATO-Kreisen verlautete daraufhin, Gespräche über eine Nachfolge würden erst im Dezember erwartet. Großbritannien betonte überrascht, Rühe habe offensichtlich die BRD-Position vertreten.
Rühe will »eine ganz andere« Truppe, eine »deterrence force« (Abschreckungstruppe) in Bosnien-Herzeogwina aufstellen. Diese hätte deutlich weniger Soldaten, »in Schwerpunkten, auch von außerhalb, hochmobil, flexibel und so effizient wie jetzt schon die SFOR-Kräfte.« Das britische Außenministerium erklärte, darüber habe es weder offizielle Beratungen gegeben noch sei eine Entscheidung getroffen worden. Allerdings sei auch Großbritannien für den Verbleib von Truppen in Bosnien nach Ablauf des Mandats. Die NATO hatte bei ihrem Treffen Anfang Oktober in Maastricht die eigentlich geplante Entscheidung über die Zukunft der SFOR verschoben.
Der internationale Druck auf Bosnien zeigt laut Rühe Erfolg. Er verwies darauf, daß sich zehn mutmaßliche kroatische Kriegsverbrecher dem Haager Tribunal gestellt hätten. Auch der als angeblicher Kriegsverbrecher gesuchte ehemalige Präsident der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, werde nach Den Haag gehen, »freiwillig oder unfreiwillig«. Seine Ergreifung sei »im Grunde bereits im Gang«, sagte der Minister, ohne nähere Einzelheiten zu nennen.
Eine Operation zur Festnahme von Karadzic würde nach den Worten des serbischen Vertreters im bosnischen Staatspräsidium, Momcilo Krajisnik, das endgültige Scheitern des Friedensvertrags von Dayton bedeuten. »Es wäre ein katastrophaler Fehler der internationalen Gemeinschaft, der zu einer scharfen Antwort des Volkes führen und das Friedensabkommen gefährden würde«, sagte Krajisnik. Das serbische Volk betrachte die vom Haager UN- Tribunal gesuchten Serben »nicht als Kriegsverbrecher, sondern als Nationalhelden, und das gilt insbesondere für den ehemaligen Präsidenten Karadzic«.
Der Chef der Serbischen Demokratischen Partei (SDS), Aleksa Buha, sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur SRNA, seine Partei sei nur dann zur Teilnahme an den Parlamentswahlen am 23. November bereit, wenn die Wahl des bosnisch-serbischen Präsidenten und die Wahl des bosnisch-serbischen Mitglieds im kollektiven Präsidium von Bosnien-Herzegowina zeitgleich abgehalten würden. Außerdem sollten die Wahlen nach den Regeln der Serbischen Republik und nicht nach denen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erfolgen, wie die Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug berichtete.
Die bosnisch-serbische Regierung erklärte zudem, sie werde die Verantwortlichen des Fernsehsenders SRT in Pale nicht auswechseln, wie dies der internationale Wiederaufbau- Beauftragte Carlos Westendorp gefordert hatte. Anfang Oktober hatten mehrere hundert SFOR-Soldaten vier Sendeanlagen des Senders SRT besetzt, der unter der Kontrolle von Anhängern des früheren Präsidenten Karadzic stand. Später übergaben sie die Einrichtungen Anhängern der vom Westen unterstützten bosnisch-serbischen Präsidentin Biljana Plavsic in Banja Luka.
(jW/AFP)
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