Aus: Ausgabe vom 31.01.2013, Seite 13 / Feuilleton
Lob des Winters
Von Wiglaf Droste
Während ich bei bester Laune Weißwürste frühstückte, lamentierte ein Pärchen Mitte Zwanzig am Nebentisch über den Berliner Winter. Grau und oll und matschig sei es, und es gebe auch kein Licht, maulte sie, er stimmte ein in die Litanei und fand, es sei alles »überhaupt nicht geil«.
Ich sah kurz hoch und betrachtete die beiden Wetterfeen. Ich kannte sie noch vom vergangenen Sommer, den sie beide »extrem geil« gefunden und das auch jedem Fremden gezeigt hatten. Jetzt waren beide vollständig angezogen. Das war eine deutliche Verbesserung.
Ihm sei warm, sagte der junge Mann und begann, abzulegen. Ich fürchtete schon das Schlimmste, aber so warm war ihm dann doch nicht, daß er mir wieder seine mannigfachen Tätowierungen und seine Brustspitzen- und Pimmelpiercings präsentierte wie im Sommer, als er und auch sie noch ganz selbstverständlich, also äußerst aufdringlich mit ihren demonstrativen Selbstverletzungen hausieren gegangen waren.
Nur ein einziges Kleidungsstück hatte der Bengel im Sommer niemals abgelegt: seine viel zu große und zu weite, teekannenwärmerartige Mütze. Jetzt aber, im wegen des Winters etwas zu sehr geheizten Restaurant, zog er den Beschütze-mich-vor-der-bösen-Welt-Strickeimer vom Schädel und sah auf einmal beinahe menschenähnlich aus; ein Eindruck, der sich allerdings sofort verflüchtigte, als er den Mund wieder zum Sprechen öffnete.
Aber immerhin, dachte ich guten Mutes und munter weiterfutternd: beinahe menschenähnlich, das ist doch ein Anfang. Mehr darf man vom Berliner Winter auch nicht erwarten, das hieße ihn überfordern.
Ich sah kurz hoch und betrachtete die beiden Wetterfeen. Ich kannte sie noch vom vergangenen Sommer, den sie beide »extrem geil« gefunden und das auch jedem Fremden gezeigt hatten. Jetzt waren beide vollständig angezogen. Das war eine deutliche Verbesserung.
Ihm sei warm, sagte der junge Mann und begann, abzulegen. Ich fürchtete schon das Schlimmste, aber so warm war ihm dann doch nicht, daß er mir wieder seine mannigfachen Tätowierungen und seine Brustspitzen- und Pimmelpiercings präsentierte wie im Sommer, als er und auch sie noch ganz selbstverständlich, also äußerst aufdringlich mit ihren demonstrativen Selbstverletzungen hausieren gegangen waren.
Nur ein einziges Kleidungsstück hatte der Bengel im Sommer niemals abgelegt: seine viel zu große und zu weite, teekannenwärmerartige Mütze. Jetzt aber, im wegen des Winters etwas zu sehr geheizten Restaurant, zog er den Beschütze-mich-vor-der-bösen-Welt-Strickeimer vom Schädel und sah auf einmal beinahe menschenähnlich aus; ein Eindruck, der sich allerdings sofort verflüchtigte, als er den Mund wieder zum Sprechen öffnete.
Aber immerhin, dachte ich guten Mutes und munter weiterfutternd: beinahe menschenähnlich, das ist doch ein Anfang. Mehr darf man vom Berliner Winter auch nicht erwarten, das hieße ihn überfordern.
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