Aus: Ausgabe vom 28.02.2013, Seite 12 / Feuilleton
Hessel gestorben
Der empörte Gentleman, dessen Hoffnung ansteckend ist«, schrieb die französische Zeitung Le Monde 2011, als ihre Internetleser den Schriftsteller Stéphane Hessel zur »Persönlichkeit des Jahres« wählten. 2010 hatte der damals 93jährige ein Pamphlet »Indignez-vous!« (Empört euch!) veröffentlicht. Es umfaßte kaum mehr als ein Dutzend Buchseiten und verkaufte sich in mehr als 30 Ländern millionenfach. Hessel hatte vorab auf ein Honorar verzichtet.
In dem Büchlein ruft er in Reaktion auf die Finanzkrise dazu auf, nicht mehr politisch passiv in der Ecke zu stehen: »Die schlimmste aller Haltungen ist die Indifferenz, ist zu sagen ›ich kann für nichts, ich wurschtel mich durch‹. Wenn ihr euch so verhaltet, verliert ihr eine der essentiellen Eigenschaften, die den Menschen ausmachen: die Fähigkeit, sich zu empören und das Engagement, das daraus folgt«. Als französsicher Diplomat bei der UNO hatte Hessel nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an der Ausarbeitung der Menschenrechtscharta mitgewirkt.
Nun ist er in der Nacht zum Mittwoch im Alter von 95 Jahren gestorben, als späte Ikone der Globalisierungskritiker. Die »Indignados« (Empörten), die in Spanien gegen den Bankrott des Staats protestieren, berufen sich ebenso auf ihn wie die Occupy-Bewegung an der New Yorker Wall Street. »Wir können die ärmeren Länder nicht darunter leiden lassen, dass die reicheren die Finanzen an sich reißen und den anderen wegnehmen«, sagte Hessel im Januar in einem seiner letzten Interviews mit dem Deutschlandradio Kultur. Der Erfolg seines Buches überrollte ihn: »Ich bin seither zu einem Zirkustier geworden, wo ich doch ein bescheidener Mensch war«, erzählte er 2011 Paris Match.
Hessels Eltern waren deutsche Intellektuelle, der Vater Franz Hessel Schriftsteller. Henri Pierre Roché hat sie in seinem Roman »Jules et Jim« in Form einer autobiographisch gefärbten Dreiecksgeschichte verewigt, was von François Truffaut 1962 verfilmt wurde.
Stéphane wurde 1917 in Berlin geboren. Mit sieben zog er mit seiner Familie nach Frankreich, wo er sich 1941 der Résistance anschloß. 1944 wurde er von der Gestapo verhaftet und ins KZ Buchenwald deportiert, wo er den linkskatholischen Politikwissenchaftler Eugen Kogon kennenlernte, der ihm das Leben rettete. Dessen Sohn wiederum, Michael Kogon, übersetzte »Empört euch!« auf Hessels Wunsch in Deutsche.
Als er 20011 in der FAZ das von Deutschen besetzte Frankreich mit den von Israel besetzten Gebieten verglich (und die Situation in letzteren schlimmer fand), erntete er einen Sturm der Empörung – in Frankreich. (jW)
In dem Büchlein ruft er in Reaktion auf die Finanzkrise dazu auf, nicht mehr politisch passiv in der Ecke zu stehen: »Die schlimmste aller Haltungen ist die Indifferenz, ist zu sagen ›ich kann für nichts, ich wurschtel mich durch‹. Wenn ihr euch so verhaltet, verliert ihr eine der essentiellen Eigenschaften, die den Menschen ausmachen: die Fähigkeit, sich zu empören und das Engagement, das daraus folgt«. Als französsicher Diplomat bei der UNO hatte Hessel nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an der Ausarbeitung der Menschenrechtscharta mitgewirkt.
Nun ist er in der Nacht zum Mittwoch im Alter von 95 Jahren gestorben, als späte Ikone der Globalisierungskritiker. Die »Indignados« (Empörten), die in Spanien gegen den Bankrott des Staats protestieren, berufen sich ebenso auf ihn wie die Occupy-Bewegung an der New Yorker Wall Street. »Wir können die ärmeren Länder nicht darunter leiden lassen, dass die reicheren die Finanzen an sich reißen und den anderen wegnehmen«, sagte Hessel im Januar in einem seiner letzten Interviews mit dem Deutschlandradio Kultur. Der Erfolg seines Buches überrollte ihn: »Ich bin seither zu einem Zirkustier geworden, wo ich doch ein bescheidener Mensch war«, erzählte er 2011 Paris Match.
Hessels Eltern waren deutsche Intellektuelle, der Vater Franz Hessel Schriftsteller. Henri Pierre Roché hat sie in seinem Roman »Jules et Jim« in Form einer autobiographisch gefärbten Dreiecksgeschichte verewigt, was von François Truffaut 1962 verfilmt wurde.
Stéphane wurde 1917 in Berlin geboren. Mit sieben zog er mit seiner Familie nach Frankreich, wo er sich 1941 der Résistance anschloß. 1944 wurde er von der Gestapo verhaftet und ins KZ Buchenwald deportiert, wo er den linkskatholischen Politikwissenchaftler Eugen Kogon kennenlernte, der ihm das Leben rettete. Dessen Sohn wiederum, Michael Kogon, übersetzte »Empört euch!« auf Hessels Wunsch in Deutsche.
Als er 20011 in der FAZ das von Deutschen besetzte Frankreich mit den von Israel besetzten Gebieten verglich (und die Situation in letzteren schlimmer fand), erntete er einen Sturm der Empörung – in Frankreich. (jW)
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