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Aus: Ausgabe vom 08.06.2013, Seite 3 / Schwerpunkt

Gleichgeschaltet: Medien auf Kurs

In der Türkei sind am Freitag sieben Tageszeitungen mit derselben Schlagzeile erschienen. »Für demokratische Forderungen würden wir unser Leben opfern«, zitierten sie den von einer Nordafrikareise zurückgekehrten Ministerpräsidenten Recep Tayypi Erdogan. Der unterstellte, daß es den Demonstranten, die seit Tagen landesweit auf der Straße sind, nicht um die Durchsetzung demokratischer Forderungen geht. Vielmehr wären sie bemüht, mit terroristischen Mitteln die Regierung zu stürzen. Die Blätter gaben ausführlich die Rede von Erdogan wieder, die er am Flughafen von Istanbul gehalten hatte und die zudem von vielen TV-Sendern live übertragen worden war. Zu Beginn der Proteste hatten Zeitungen und Fernsehen diese und die brutale Polizeigewalt zunächst fast gänzlich verschwiegen. Schließlich zogen Demonstranten in Istanbul vor die Zentralen von zwei Sendern, landesweit wurden die Medien auf Kundgebungen als »Arschkriecher von Erdogan« kritisiert. NTV und andere Sender sahen sich schließlich gezwungen, Vertreter der Protestbewegung zu Wort kommen zu lassen.

Die Proteste sorgen für einen großen Zulauf bei oppositionellen Medien wie dem Sender Hayat TV. Der hat bis vor einer Woche eine nur kleine Zuschauergruppe erreicht, ist heute aber durch seine Dauerberichterstattung von den »Hot Spots« eine der Hauptinformationsquellen.

Die türkischen Medien sind seit 25 Jahren fest in der Hand von Großkonzernen, die wiederum auf die Regierung als wichtigster Auftraggeber angewiesen sind. Um rentable Großaufträge nicht zu verlieren, verbieten sie eine regierungskritische Berichterstattung. In der Regierungszeit der AKP wurde diese Abhängigkeit verstärkt. Beispielhaft sei hier die Dogus-Gruppe mit einem Jahresumsatz von umgerechnet zwölf Milliarden US-Dollar erwähnt. Nachdem sie 2012 den Sender NTV übernommen hatte, setzte sie mehrere regierungskritische Sendungen ab und entließ deren Moderatoren. Sie wurde dazu von Erdogan genötigt, der dem Konzernchef öffentlich mit dem Entzug von Aufträgen gedroht hatte.


Mit Hilfe von Twitter, Face­book und Co. kann diese Zensur von Demonstranten umgangen werden. Die User informieren sich gegenseitig über bevorstehende Aktionen, laufende Polizeieinsätze, Festnahmen etc. Hier macht sich bemerkbar, daß über zwei Drittel der Demonstranten junge Menschen sind, die sich in der Welt des Internets zu Hause fühlen. Um die mobile Kommunikation zu behindern, werden in mehreren Städten auf zentralen Plätzen sogenannte GPS-Jammer eingesetzt.

(mc)

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