Aus: Ausgabe vom 15.06.2013, Seite 16 / Aktion
Zu wenig Linksextremisten
Von Dietmar KoschmiederWenn dabei ein anderer Klassenstandpunkt eingenommen wird, ist das für diese Dienstleister nur erträglich, wenn es niemanden interessiert. Allerdings verlieren ausgerechnet die meisten anderen Zeitungen rasant an Auflage, während die jW an Zuspruch gewinnt. Deshalb warnt Friedrich im Bericht seiner Behörde: Die junge Welt sei das »bedeutendste und auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus (…) mit jährlich 1,6 Millionen verkauften Exemplaren. Die tägliche Auflagenhöhe liegt bei etwa 17000 Exemplaren«. In Wirklichkeit ist alles noch viel schlimmer. Weil die täglich verkaufte Auflage bei 18000 Exemplaren liegt. Und weil die Behörde nicht rechnen kann. Denn bei 305 Erscheinungstagen sind das 5,49 Millionen verkaufte Zeitungen im Jahr. Hinzu kommt eine rasch wachsende Leserschaft im Internet. Immerhin zitiert der Bericht dann aus unseren Verlagsangaben, daß jW täglich 50000 Leserinnen und Leser erreiche – einige Seiten zuvor heißt es, daß Ende 2012 das »linksextremistische Personenpotential« in Deutschland nur noch 29400 Menschen umfassen würde.
Genau da steckt das Problem der Behörde mit der jungen Welt: Um zu erkennen, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Himmel stinken, muß man kein Marxist sein. Es ist nicht nur leicht, soziale Widersprüche zu erkennen, sondern auch, daß sie in den meisten Medien nicht abgebildet werden. Deshalb entdecken immer mehr Lesende bis hinein sogar ins konservative Lager die junge Welt für sich neu. Die ausführliche Erwähnung der jW im Verfassungsschutzbericht dient nur dem einen Ziel: diese Entwicklung aufzuhalten. Friedrich behauptet in seinem Report erstmals: »Der weitere Fortbestand der jW ist aufgrund finanzieller Probleme ungewiß«. Da ist der Wunsch Vater des Gedankens. Der ist aber auch ein weiterer guter Grund, die junge Welt endlich zu abonnieren.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
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Yes We Can
vom 15.06.2013