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Aus: Ausgabe vom 21.10.1997 / Ausland

Großes Rätselraten in Moskau

Mißtrauensvotum wird für Sjuganow parteiintern zur Machtprobe

Die russischen Kommunisten haben sich am Montag vor einem Gespräch mit Präsident Boris Jelzin über die Beilegung der Regierungskrise kompromißbereit gezeigt. Duma-Präsident Gennadi Selesnjow sagte dem privaten Fernsehsender NTW, er treffe sich nicht mit Jelzin, um »Zugeständnisse« zu fordern, sondern um Unstimmigkeiten zu beseitigen. Wenn die Abgeordneten sähen, daß die Zusammenarbeit nicht nur auf dem Papier stehe, sondern tatsächlich begonnen habe, könne das für Mittwoch angesetzte Mißtrauensvotum gegen die Regierung abgewendet werden. Die Kritik der Kommunisten richtet sich vor allem gegen den Haushaltsentwurf.

Das Mißtrauensvotum war am vergangenen Mittwoch in letzter Minute verschoben worden. Jelzin hatte dies auch mit der Drohung erreicht, er werde notfalls das Parlament auflösen. KP-Chef Gennadi Sjuganow hatte am Sonnabend nach einer ZK-Beratung erklärt, das verschobene Mißtrauensvotum werde in jedem Fall am Mittwoch in der Duma auf der Tagesordnung stehen.

Die Abgeordneten des liberalen Jabloko-Blocks im russischen Unterhaus wollen sich entgegen ihrer bisherigen Haltung dem Mißtrauensantrag anschließen. Die Kommunisten haben 140 der 450 Duma-Sitze. Um ein Mißtrauensvotum durchzusetzen, benötigen sie 226 Stimmen, der Jabloko-Block verfügt über 55 Stimmen. Bei dem Treffen der Kommunisten gab es nach Angaben aus Teilnehmerkreisen heftige Kritik an Sjuganow. Der linke Flügel warf Sjuganow »Kollaboration« mit Jelzin vor. Sjuganow stritt Differenzen dagegen ab.

Sjuganow machte die Haltung der Kommunisten vom Ergebnis der Gespräche ab, die Jelzin mit Regierungschef Viktor Tschernomyrdin und den Präsidenten von Duma und Föderationsrat, den beiden Häusern des Parlaments, führen will. Er habe alle Parteigliederungen aufgerufen, sich auf Neuwahlen einzurichten. Kreml-Sprecher Sergej Jastrschembski sagte, Jelzin sei zu Verhandlungen über die Landreform und den umstrittenen Haushaltsentwurf bereit. Änderungen in der Regierungsmannschaft seien jedoch ausgeschlossen.

Der Ex-General und Parlamentsabgeordnete Lew Rochlin hat zum gewaltsamen Sturz des »Haßregimes« von Präsident Boris Jelzin aufgerufen. Der Feiertag zu Ehren der russischen Armee am 23. Februar sei der richtige Zeitpunkt zu entscheiden, »ob wir genug Macht haben, das Regime zu stürzen«, sagte Rochlin am Sonntag nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Rochlin war bis vor einem Monat Mitglied der Machtpartei »Unser Haus Rußland«.

Ein den Kommunisten nahestehender Kandidat hat in der sibirischen Bergbauregion von Kermerowo mit überwältigender Mehrheit bei den Gouverneurswahlen gesiegt. Für Aman Tulejew stimmten am Sonntag nach vorläufigen Ergebnissen 95 Prozent der Wähler. Er ist Nachfolger von Michail Kisljuk, den Jelzin entlassen hatte.

(jW/AP/AFP)

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