Aus: Ausgabe vom 03.09.2013, Seite 13 / Feuilleton
Schalldämpfer (41)
Von Wiglaf Droste
Also was ist das jetzt mit diesen anonymen Narkotikern?« begehrte Ralle zu wissen. »Von anonymen Alkoholikern hat man ja schon einmal gehört, aber Narkotiker? Und wieso anonym?«
»Also gut«, seufzte ich. »Machen wir dieses Faß eben auch noch auf.« Ich holte kurz Luft. »Mir waren die ja selber vollkommen unbekannt«, begann ich meinen kleinen Exkurs, »aber die Pflegerin, du weißt schon, die schrappige« – Ralle nickte verstehend – »hat Jan und mich da hingejagt. Da gab’s kein Vertun, wir mußten«. Jan knurrte etwas zwar Unverständliches, aber unmißverständlich Zustimmendes.
»Wir also runter in diesen Mehrzweckraum, an die hundert Leute waren schon drin zum Treffen der Narcotics Anonymous. Es war aber kein Treffen, sondern ein Meeting, das war ihnen offenbar wichtig, denn eine ihrer Hauptparolen, die auf Zetteln herumgereicht wurde, lautet: ›Wenn es dir schlecht geht, geh’ ins Meeting. Wenn es dir gut geht, renn’ ins Meeting.‹«
Ralle kuckte verständnislos. »Was wahrscheinlich heißen soll«, fuhr ich fort, »daß die größte Gefahr für den Süchtel nicht in der Depression liegt, sondern im Überschwang, so in der Preisklasse ›Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis.‹ Ich weiß es doch auch nicht. Jedenfalls wurde gleich zu Beginn gefragt, wer denn zum ersten Mal bei einem Meeting der NA sei, drei Leute hoben eine Hand, und Jan und ich machten das dann auch und gaben uns als Frischlinge zu erkennen, obwohl uns schon schwante, daß wir das besser sein gelassen hätten.«
Wieder gab Jan ein affirmatives Geräusch von sich. »Kaum hatten wir die Pfoten oben, ging der Alarm los. Die klatschten alle. Ich fühlte mich, als wäre mir ein Applaus über die Leber gelaufen, und als ich Jan ansah, wußte ich: Der war auch bedient.«
»Allerdings«, sagte Jan und überließ mir abermals die Schilderung des Grusels. »Aber es kam noch dicker. Einer dieser NA-Vögel kriegte sich gar nicht mehr ein, wie toll das wäre, daß wir jetzt auch dabei wären, und dann taperte er los und umarmte die Neuen.« Ralle lachte schadenfroh, aber als er Jans bösen Blick sah, wiegelte er ab: »Ääh, schlimm, meine ich natürlich.«
»Das möchte ich dir auch geraten haben«, sagte ich sehr bestimmt. »Jedenfalls kommt dieser Fredie auch auf uns zugelatscht und fragt Jan: ›Darf ich dich umarmen?‹, und Jan fragt den eiskalt: ›Ablecken auch, oder geht’s ohne?‹ Der Typ hat gekuckt wie’n Auto, ich hätte mich fast naß gemacht, aber dann steht der plötzlich vor mir und breitet die Arme aus, und ich schaffe es gerade noch zu sagen: ›Ich bin aus Westfalen, da haben wir’s nicht so mit Bussi-Bussi. Reicht auch Hand geben?‹ Naja, Applaus gab’s danach jedenfalls keinen mehr.«
»Also gut«, seufzte ich. »Machen wir dieses Faß eben auch noch auf.« Ich holte kurz Luft. »Mir waren die ja selber vollkommen unbekannt«, begann ich meinen kleinen Exkurs, »aber die Pflegerin, du weißt schon, die schrappige« – Ralle nickte verstehend – »hat Jan und mich da hingejagt. Da gab’s kein Vertun, wir mußten«. Jan knurrte etwas zwar Unverständliches, aber unmißverständlich Zustimmendes.
»Wir also runter in diesen Mehrzweckraum, an die hundert Leute waren schon drin zum Treffen der Narcotics Anonymous. Es war aber kein Treffen, sondern ein Meeting, das war ihnen offenbar wichtig, denn eine ihrer Hauptparolen, die auf Zetteln herumgereicht wurde, lautet: ›Wenn es dir schlecht geht, geh’ ins Meeting. Wenn es dir gut geht, renn’ ins Meeting.‹«
Ralle kuckte verständnislos. »Was wahrscheinlich heißen soll«, fuhr ich fort, »daß die größte Gefahr für den Süchtel nicht in der Depression liegt, sondern im Überschwang, so in der Preisklasse ›Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis.‹ Ich weiß es doch auch nicht. Jedenfalls wurde gleich zu Beginn gefragt, wer denn zum ersten Mal bei einem Meeting der NA sei, drei Leute hoben eine Hand, und Jan und ich machten das dann auch und gaben uns als Frischlinge zu erkennen, obwohl uns schon schwante, daß wir das besser sein gelassen hätten.«
Wieder gab Jan ein affirmatives Geräusch von sich. »Kaum hatten wir die Pfoten oben, ging der Alarm los. Die klatschten alle. Ich fühlte mich, als wäre mir ein Applaus über die Leber gelaufen, und als ich Jan ansah, wußte ich: Der war auch bedient.«
»Allerdings«, sagte Jan und überließ mir abermals die Schilderung des Grusels. »Aber es kam noch dicker. Einer dieser NA-Vögel kriegte sich gar nicht mehr ein, wie toll das wäre, daß wir jetzt auch dabei wären, und dann taperte er los und umarmte die Neuen.« Ralle lachte schadenfroh, aber als er Jans bösen Blick sah, wiegelte er ab: »Ääh, schlimm, meine ich natürlich.«
»Das möchte ich dir auch geraten haben«, sagte ich sehr bestimmt. »Jedenfalls kommt dieser Fredie auch auf uns zugelatscht und fragt Jan: ›Darf ich dich umarmen?‹, und Jan fragt den eiskalt: ›Ablecken auch, oder geht’s ohne?‹ Der Typ hat gekuckt wie’n Auto, ich hätte mich fast naß gemacht, aber dann steht der plötzlich vor mir und breitet die Arme aus, und ich schaffe es gerade noch zu sagen: ›Ich bin aus Westfalen, da haben wir’s nicht so mit Bussi-Bussi. Reicht auch Hand geben?‹ Naja, Applaus gab’s danach jedenfalls keinen mehr.«
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