Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 16.09.2013, Seite 13 / Feuilleton

Schalldämpfer

Von Wiglaf Droste
Das Lied von Fink war gerade verklungen, als die Nachricht vom Tod Otto Sanders kam. Ach nein, bitte der nicht auch noch, dachte ich. Es wird eindeutig zu viel gestorben, und ganz besonders von den falschen Leuten. Und jetzt Otto Sander! Ich hatte ihn einmal getroffen, bei der Eröffnung einer lit.cologne in der Kölner Philharmonie. Otto Sander rezitierte im Wechsel mit Nina Hoss Wilhelm Genazino, den man aus Eckhard Henscheids Roman »Die Vollidioten« als »Herrn Domingo« kennt, las aus einem seiner Werke, ich hatte gemeinsam mit Götz Alsmann zwei Lieder zu singen und eigene Texte vorzutragen.

Im Auditorium saßen etwa 2500 Leute, ich hatte richtig Bammel. In der Garderobe tigerte ich auf und ab, rekapitulierte die Liedtexte und musterte meinen Aufzug; ich trug einen dunklen Dreiteiler und ein weißes Hemd. Otto Sander sah mich an, kam auf mich zu, griff mir mit beiden Händen unter Jackett und Weste, zog das Hemd am Rücken glatt und stramm und schob es mir ohne jede Anzüglichkeit hinten in die Anzughose. Er betrachtete sein Werk, sah mich mit seinen eindringlichen traurigen Augen an und sagte mit dieser Stimme, auf der man laufen konnte: »Auf der Bühne kannst du machen was du willst. Aber dein Hemd muß sitzen.«


Ich war tief beeindruckt; in wenigen Worten hatte Otto Sander das erste und wichtigste Gesetz aller Bühnenkunst auf den Punkt gebracht. Mir fiel ein, was meine Großmutter, die Schneiderin gewesen war, ihren Enkeln eingeschärft hatte: »Hemd in die Büxen, Gendarm kommt.«

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