»Fotosafari« nach Lübeck
Zehn Menschen, darunter sechs Kinder, starben in der Nacht vom 17. zum 18. Januar 1996 bei einem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in der Lübecker Hafenstraße. 38 Bewohner des Hauses überlebten das Inferno.
Die Lübecker Staatsanwaltschaft hatte damals schnell einen Schuldigen ausgemacht: Aufgrund der Aussage eines Sanitäters, der zufolge der Libanese Safwan Eid »Wir waren's« gesagt haben soll, wurde ein aufwendiger Prozeß gegen den damals 21jährigen geführt. Gleichzeitig ignorierte man geflissentlich die sich häufenden Hinweise auf die Täterschaft von vier Grevesmühlener Jugendlichen und verschiedene Gutachten, die die These von der Schuld Eids ad absurdum führten. Eid mußte dennoch nach 60 Prozeßtagen im Sommer 1997 freigesprochen werden, das Landgericht Kiel bestätigte in der Revisionsverhandlung ein Jahr danach dieses Urteil.
Die eigentlichen Verdächtigen blieben bislang jedoch weiter unbehelligt. Die Hamburger Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, Verteidigerin Safwan Eids, sagte der Agentur ddp am Mittwoch, derzeit laufe gegen die Grevesmühlener ein Klageerzwingungsverfahren bei der Generalstaatsanwaltschaft. Sie wirft der Justiz vor, das Verfahren zu verschleppen. Die Klage wurde immerhin vor einem Jahr, Ende Januar 2000, eingereicht. Nach Ansicht der Anwältin gibt es objektive Anhaltspunkte für eine Anklage, darunter ein - wenn auch später widerrufenes Geständnis. Im Namen von Safwan Eid hat die Anwältin auch Anträge auf Haftentschädigung und Schadensersatz gestellt.
Um an den Brandanschlag zu erinnern, lädt das Hamburger »Mobile Ermittlungskomitee« für den kommenden Samstag zu einer »Safari« nach Lübeck und Grevesmühlen ein. Man wolle das Augenmerk »auf ein besonderes Exemplar des Rassisten, den deutschen Brandstifter, sein soziales Umfeld und die Institutionen, die ihn formen und fördern«, richten, so das Komitee.
jW/ddp
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