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Aus: Ausgabe vom 10.12.2013, Seite 3 / Schwerpunkt

Diskussion: PISA-Kritik nimmt zu

Über ein Jahrzehnt lang ist es unter Fachleuten, Lehrerverbänden, Gewerkschaften und bis hinein in die politische Linke zu einer schönen Gewohnheit geworden, die internationale Schulleistungsstudie PISA als Kronzeuge gegen die deutsche Bildungsmisere in Stellung zu bringen. Man ahnte zwar, daß einer von einer Wirtschaftsorganisation wie der OECD forcierten Untersuchung nicht vollends zu trauen ist, ließ die Scheuklappen aber so lange angelegt, wie die Gleichung so einfach ging: Patzt Deutschland bei PISA, muß die Schulpolitik schuld sein. Und wenn sogar die Industrielobby die sozialen Verwerfungen in hiesigen Klassenzimmern beklagt – Dankeschön für die Steilvorlage.

Nur jetzt ist mit einem Male alles anders: Deutsche 15jährige rangieren bei PISA nicht mehr unter, sondern über dem Schnitt, und die Herrschenden reiben sich die Hände und prahlen: Die »Bildungsreformen« greifen. Nur welche? Bei den Schulen wird weiterhin munter gekürzt, Gebäude zerfallen, vielerorts werden Lehrerstellen gestrichen, die Klassen sind oft viel zu groß, und Pädagogen brennen wegen Streß und Überforderung reihenweise aus. Und fragt man einen von ihnen, warum die deutschen PISA-Schützlinge plötzlich durchstarten, erntet man Kopfschütteln und bekommt zu hören, daß sich das schulische Niveau seit Jahren im freien Fall befinde.

Trifft PISA daran vielleicht sogar eine Mitschuld? »Lehrer NRW«, ein Berufsverband für Real- und Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen, kommt in einer aktuellen Stellungnahme zu diesem Schluß: »Es steht zu befürchten, daß die PISA-Hörigkeit der deutschen Bildungspolitik zwar zu einer Verbesserung der PISA-Ergebnisse, aber zu einer Verschlechterung der Bildung führt.« Wissen werde so lange zerlegt, »bis kleine, überprüfbare und reproduzierbare – eben standardisierte – Kompetenzhäppchen übrigbleiben. (…) Das hat letztlich mit Bildung überhaupt nichts mehr zu tun.«

Soweit ist man mit der PISA-Kritik bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) noch nicht. Deutliche Vorbehalte sind bisher nur vom hessischen Landesverband vernehmbar. So wandte sich etwa ein Antrag zum letzten Gewerkschaftstag im Juni gegen die »Interessengeleitetheit und wissenschaftliche Unseriosität« der PISA-Studien. Schlußwort: »Wir verlieren nichts, wenn wir PISA einfach einstellen. Ganz im Gegenteil.« Die Empfehlung wurde auf der Tagung nicht behandelt und wäre sie durchgegangen, hätte ziemlich sicher der Bundesverband Streß gemacht. Der ließ zuletzt PISA-Koordinator Andreas Schleicher in der Mitgliederzeitschrift E&W den Eröffnungskommentar schreiben. Titel: »Verschiedenheit als Chance«. (rwu)

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