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Vom Täter zum Zeugen

SAT.1 erhielt Bundeswehrvideo von einem der Hauptakteure
Von AP/jW

Das Bundesverteidigungsministerium hat die Staatsanwaltschaft in die Ermittlungen gegen die acht Hauptakteure des neuen Skandalvideos der Bundeswehr eingeschaltet. Darunter sind zwei Offiziere, zwei Unteroffiziere und vier Soldaten, wie ein Ministeriumssprecher am Sonnabend klarstellte. Über die Eröffnung eines Verfahrens zu dem ersten Gewaltvideo wollte die Staatsanwaltschaft nach seinen Angaben Ende Oktober entscheiden. Der Überbringer des Videos an den Privatsender SAT.1 war vier Jahre lang Zeitsoldat.

Der 24jährige Mike R., der in dem neuen Video sowohl als Täter als auch als Opfer auftritt und vor der Kamera mit dem rechtsradikalen »Kühnen-Gruß« salutiert, schied laut Hardthöhe am 31. März dieses Jahres aus dem Dienst. Der Vertrag des Zeitsoldaten sei dem Verteidigungsministerium zufolge nicht verlängert worden, weil R. »eindeutig nicht die Eignung zum Unteroffizier« besitze. Zuvor sei der Hauptgefreite in den Verdacht geraten, in der Kaserne »Heil Hitler« gerufen und SA-Zeichen in die Tür des Geschäftszimmers geritzt zu haben. Die Ermittlungen gegen ihn beziehen sich allerdings nur auf das zweite Video. Er übergab auch das erste Video an SAT.1, in dem er aber nicht selbst auftritt, wie der Privatsender am Sonnabend erklärte. »Wir wissen bis heute nicht, daß er das erste Video vermittelt hat«, sagte der Hardthöhen-Sprecher. Bei der Veröffentlichung im Sommer war R. mit dem Rücken zur Kamera und mit verstellter Stimme gezeigt worden. Der Sender hatte angegeben, ein Informant habe das Band aus »offenbar demokratischer Empörung« weitergegeben.

SAT.1-Sprecherin Kristina Faßler erklärte am Wochenende dazu, R. habe aus der rechten Szene aussteigen wollen und sei deshalb mit dem Band an die Öffentlichkeit gegangen. Bei der Berichterstattung über das zweite Video habe man ihn überzeugen können, daß er offen auftrete. Wie er in den Besitz des ersten Videos gekommen sei, wisse der Sender nicht. Laut »Focus« soll Mike R. in seinem sächsischen Heimatort Auerbach der Polizei als eindeutig rechtsradikal bekannt gewesen sein. Seit spätestens 1994 aber sei er »aus der Szene raus«, zitierte ihn das Blatt. Er habe der »kritischen Öffentlichkeit dokumentieren« wollen, daß Rechtsradikalismus in der Armee kein Einzelfall sei.

Bei den Ermittlungen zum zweiten Gewaltvideo ist laut Verteidigungsministerium die Staatsanwaltschaft Chemnitz für die vier noch aktiven Soldaten, darunter ein Offizier, zuständig. Daneben sei ein sogenanntes truppendienstliches Verfahren eingeleitet worden. Da dies bei den schon nicht mehr aktiven Soldaten nicht möglich sei, sei bereits am Donnerstag Strafanzeige gegen sie bei der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft des Wohnorts erstattet worden. Gegen den bereits entlassenen Offizier läuft laut Ministerium ein Bundeswehrverfahren zur Aberkennung seines Dienstgrads Oberleutnant der Reserve. Dem noch aktiven Oberleutnant sei es seit Donnerstag verboten, Uniform zu tragen und Dienst auszuüben. Es werde auch untersucht, inwieweit die zwei Offiziere ihre Dienstaufsicht verletzt hätten.

Basis für derartige Zwischenfälle in der Truppe ist auch eine politisch eher rechte Orientierung im Offizierskorps. So ortet die Mehrheit der Offiziersstudenten in Deutschland ihre politische Position rechts von der Mitte. Der »Tagesspiegel« beruft sich auf eine sozialwissenschaftliche Untersuchung der Bundeswehr und der Universität Konstanz, deren Ergebnisse dem Bonner Verteidigungsministerium bereits vor Monaten vorgetragen, bislang aber nicht veröffentlicht worden seien. Von den Offiziersstudenten der Jahrgänge 1991 bis 1994 an den Bundeswehrhochschulen in Hamburg und München hätten sich 55 Prozent als rechts der Mitte stehend bezeichnet, nur 13 Prozent sähen sich auf der linken Seite des politischen Spektrums. Die stärksten Tendenzen nach rechts seien bei den Interessenten für eine Offizierslaufbahn auf Lebenszeit registriert worden.

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