Die Heinz-Eggert-Show
»Ich kann mich nicht erinnern, je weg gewesen zu sein«, erklärte Heinz Eggert, früherer sächsischer Innenminister und ehemalige Kohl-Vize, auf dem Parteitag der CDU Sachsen in Markneukirchen. Zuvor hatten ihn 132 der 228 Delegierten als einen der drei stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt. Dem geltungssüchtigen Eggert waren nach seinen Rücktritten 1995 wegen vermeintlicher sexueller Belästigung von Mitarbeitern nur noch der Abgeordnetenplatz im sächsischen Landtag und Gastrollen in Talkshows geblieben.
Das Comeback war die aufregendeste Nachricht von einem CDU-Landesparteitag, der die Weichen für die kommenden Wahljahre stellen sollte. Entgegen den Spekulationen über seine Führungsschwäche wurde der Landesvorsitzende Fritz Hähle ohne Gegenkandidat von 86 Prozent der Delegierten wiedergewählt, ebenso Generalsekretär Steffen Flath.
Bemerkenswert bleibt, daß Volker Schimpff, bisheriger Mit- Vize und Patriarch mit schwarz-rot-goldenen Hosenträgern, trotz vorausgegangener Wühlarbeit und frömmelnder Rede nicht wieder in das dreiköpfige Stellvertretergremium gewählt wurde.
Generalsekretär Flath mußte ein Sinken der Mitgliederzahl von 32 082 auf 20 802 in den letzten Jahren eingestehen. Ansonsten aber blieb es bei den gewohnten Parteitagsritualen. Kurt Biedenkopf hielt eine Vorlesung über »Risikoscheu« als Aufbaubremse, und der Bonner Gast Peter Hintze, CDU-Generalsekretär, drosch auf alles ein, was vermeintlich auf der linken Spur zum Überholen ansetzt - von den »Minusmeistern« bei der SPD über die Bündnisgrünen als Gefahr für Autofahrer bis zur PDS als »Konzentrat der alten SED«. Für Hintze ist die CDU die einzige zukunftsfähige Kraft in Deutschland. Verliere sie die nächste Bundestagswahl, drohe ein »Linksbündnis aus Sozialdemokraten, roten Grünen und tiefroten PDSlern«, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen.
Nach dem wahlkämpfenden Pfarrer und dem dozierenden Ministerpräsidenten menschelte es mächtig in Markneukirchen. Es war, als stiege der Duft von Räuchermännern auf, und glückliche Kinderaugen leuchteten dazu. Parteisoldatisch wurde es erst wieder mit Blick auf die große Sache und den großen Vorsitzenden. »Grüßen Sie Helmut Kohl«, rief Tagungsleiter Rink dem mit einem Sachsenschlips versehenen Hintze nach, »wir tun in Sachsen unsere Pflicht!«
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