Sachsen besteht auf Neuschreib
Von jW/APSachsen will trotz der ablehnenden Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bautzen an der Einführung der neuen Rechtschreibregeln in den Schulen festhalten. Der Freistaat bestimme selbst, »welcher Unterrichtsstoff in welcher Form in den Schulen gelehrt wird«, donnerte das sächsische Kultusministerium in seiner Presseerklärung vom Montag. In Dresden sehe man den Beschluß des Gerichts zur Rechtschreibreform als Fortsetzung eines »juristischen Elfmeterschießens« in Deutschland.
Das OVG in Bautzen hatte am Montag die Einführung der Rechtschreibreform im Freistaat für rechtswidrig erklärt. Damit bestätigte das Gericht eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Dresden vom August. Damals hatte das Gericht die Umsetzung der Rechtschreibreform in Sachsen per einstweiliger Anordnung vorerst gestoppt. Die Staatsregierung wurde aufgefordert, das Kind eines Rechtsanwaltes aus Schneeberg vorerst nicht nach den neuen Regeln zu unterrichten.
Das Land Niedersachsen hat als bisher einziges Bundesland die Reform ausgesetzt, nachdem das Lüneburger Oberverwaltungsgericht am 17. Oktober die Einführung der neuen Rechtschreibung im Unterricht gestoppt hatte. Die Landesregierung von Sachsen dagegen »bleibt bei der Einführung der vereinfachten Rechtschreibung«, beharrt das Kultusministerium und zählt die »wesentlichen Schwachstellen« des Gerichtsbeschlusses auf: Die Richter hätten den Umfang der Neuregelungen »völlig überschätzt« und seien sich offensichtlich nicht einig, »wer wofür zuständig sein soll.«
Wie das Oberverwaltungsgericht ausführte, ist es grundsätzlich Sache des Staates zu entscheiden, was den Schülern im Unterricht vermittelt werde. Dieses staatliche Bestimmungsrecht werde aber in Teilbereichen durch das elterliche Erziehungsrecht und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes eingeschränkt. Erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung bestünden schon deshalb, weil »viel dafür spreche, daß die Sprache einschließlich der Rechtschreibung inhaltlich im wesentlichen nicht vom Staat geregelt werden dürfe«.
Veränderungen der Sprachgestalt gingen vom Sprachvolk und nicht vom Staat aus, erklärten die Bautzner Verwaltungsrichter. Dies gelte auch für die Schriftsprache. Die Sprachbeeinflussung durch eine Planung von Sprachentwicklungen, etwa der Schreibweise, seien von dem staatlichen Auftrag zur Sprachpflege nicht erfaßt. Die Rechtschreibreform stelle keine bloße Anpassung an einen sich abzeichnenden oder bereits veränderten Sprachgebrauch dar, hieß es.
Mehr aus: Inland
-
Arbeitsplätze haben Vorrang
vom 04.11.1997 -
Motto: Augen zu und durch
vom 04.11.1997 -
Info-Tour gegen PKK-Verbot
vom 04.11.1997 -
Dreizehntes Rückzugsgefecht in Hamburg
vom 04.11.1997