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Aus: Ausgabe vom 05.06.2014, Seite 3 / Schwerpunkt

Geheimverhandlungen

Am Montag fand im Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft des Bundestages eine Anhörung zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) statt. jW dokumentiert Auszüge der Stellungnahme des Sachverständigen Scott Sinclair vom »Canadian Centre for Policy Alternatives«, der das »Trade and Investment Research Project« leitet und auf Einladung der Linksfraktion seine Sicht auf das geplante Abkommen vortrug:



Mit wenigen Ausnahmen sind die traditionellen Handelsbarrieren zwischen Kanada und der Europäischen Union nur gering. Europäische Zölle auf kanadische Exporte sind generell ziemlich niedrig und machen durchschnittlich knapp 2,2 Prozent aus, während die durchschnittlichen kanadischen Zölle auf EU-Produkte nur 3,5 Prozent betragen. Insofern liegt das Hauptaugenmerk der CETA-Verhandlungen nicht auf den Zöllen, sondern auf den Handelsbarrieren, die nichts mit eigentlichen Zöllen zu tun haben (»nicht-tarifäre Handelshemmnisse«). CETA ist ein sehr gutes Beispiel dafür, was die Handelsanalysten und Verhandlungsführer als »Abkommen des 21. Jahrhunderts« oder »der neuen Generation« bezeichnen und die sich mit Themen »hinter der Grenze« befassen. Bei dem geplanten Vertrag handelt es sich um ein nach staatsrechtlichem Stil aufgebautes Dokument, das den Patentschutz für Medikamente, die Rechte ausländischer Investoren, den lokalen Einkauf seitens Regierungsbehörden, Regelungen im öffentlichen Interesse sowie viele anderen Angelegenheiten beeinflußt, die generell von gewählten Parlamenten nach öffentlicher Debatte entschieden werden. Während multinationale Unternehmen und internationale Händler beispielsweise unterschiedliche Vorschriften in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten als kostspielige Schranken erachten, sind diese aber lebenswichtig, um Bereiche des öffentlichen Interesses wie den Arbeitsmarkt, die Verbraucher, die Umwelt sowie die Stabilität des Finanzsystems zu schützen. Es besteht ein eindeutiges Risiko, daß – wenn man sich eine nichtdiskriminierende Regierungspolitik als Ziel setzt, die den Handel und die Investitionen beeinflußt – Abkommen »der neuen Generation« wie das CETA (und insbesondere Bestandteile wie das vorgeschlagene System zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten) die Fähigkeit der Regierungen, im öffentlichen Interesse regulierend einzugreifen, untergraben werden. (…)


Die CETA-Verhandlungen sind weitaus vertraulicher als diejenigen bei früheren Abkommen, obwohl manche frühere Verhandlungen sicherlich auch von einer erhöhten Transparenz profitiert hätten. Diese Vertraulichkeit widerspricht den Entwicklungen bei anderen internationalen Organisationen. Die Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO haben sich beispielsweise in Richtung einer erhöhten Transparenz entwickelt. Die Verhandlungsvorschläge, Diskussionspapiere und einstweiligen Angebote der Mitgliedsregierungen der WTO werden nunmehr routinemäßig veröffentlicht. Während der Verhandlung des Freihandelsabkommens zwischen Nord- und Lateinamerika wurde der Verhandlungstextentwurf aufgrund des Drucks seitens der Öffentlichkeit und der teilnehmenden Regierungen öffentlich publik gemacht. Sämtliche Verhandlungsvorschläge, Vorbehalte und der Textentwurf des CETA-Abkommens sind hingegen ausnahmslos vertrauliche Dokumente. Unabhängige Analysten, die interessierte Öffentlichkeit und sogar die Gesetzgeber sind gezwungenermaßen auf Dokumente und Medienberichte angewiesen, die aufgrund eines Lecks bekannt werden. (…)

Die Veröffentlichung der Verhandlungstexte ist lebensnotwendig, um eine vollumfängliche und informierte öffentliche Debatte zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang ist es von kritischer Bedeutung, daß die entsprechenden Texte sobald wie möglich freigegeben werden. Wenn sich die Verhandlungspartner erst einmal auf einen abschließenden Text verständigt haben, ist es sehr schwer, ihn abzuändern, was Ihrem Ausschuß ja auch bekannt ist. Besonders in Anbetracht des breiten Themenkatalogs und der Komplexität des CETA ist es unumgänglich, daß der Textentwurf einer unabhängigen Analyse, einer parlamentarischen Prüfung sowie einer Debatte in der Öffentlichkeit unterzogen wird, bevor er endgültig von den Verhandlungspartnern in Stein gemeißelt wird. (…)

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