Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 14.07.2014, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund: »Friedensmacht« Deutschland

Manche Mythen sterben nicht. Etwa derjenige, daß die Bundesrepublik sich in der Welt stets allzu bescheiden gebe. Deutschland dürfe sich nicht länger zurückhalten, es müsse nun endlich mehr »Führung« übernehmen, fordert einer der wichtigsten deutschen Thinktanks, die SWP. Er finde es nicht gut, »daß Deutschland sich klein macht«, jammert der Bundespräsident. John Kornblum, US-Botschafter in der Bundesrepublik von 1997 bis 2001, hat für solches Genöle nur Hohn und Spott. Deutschland sei »nie der politische Zwerg gewesen, als der es hingestellt« worden sei, schrieb Kornblum Ende Mai in einem Kommentar für den Thinktank Carnegie Europe. »In den ersten fünf Jahrzehnten nach dem Krieg« seien bundesdeutsche Politiker durchaus »geschickt darin gewesen, den Westen dazu zu bringen, ihre nationalen Ziele zu verfolgen«. Zuweilen habe Bonn nachgeholfen, indem es etwas mehr als nötig gezahlt habe; »langsam und ohne großes Getrommel« sei es ihm damit gelungen, »Europa nach seinem Bild zu formen«. Wenn manche Deutschlands Rolle falsch verstünden, dann liege das auch daran, daß Berlin sehr erfolgreich darin gewesen sei, »seine Ambitionen in ein Gewand der Selbstlosigkeit zu hüllen«. Die öffentliche Führung hätten deutsche Politiker meist anderen überlassen. Tatsächlich aber seien sie so zielstrebig in der Verfolgung ihrer Interessen gewesen wie der französische Präsident Charles de Gaulle.

Auch wenn Deutschland erst im Verlauf der Euro-Krise ab 2010 »aus seinem Kokon geschlüpft« sei und die Vormacht über Europa offen beansprucht habe, so sei doch »die ›Germanisierung‹ Europas« schon »eine ganze Weile im Gange gewesen«, stellt Kornblum fest. 2010 sei dann schlagartig klargeworden, »daß der Euro vorrangig konzipiert worden« sei, »um deutsche Interessen zu fördern«. Nicht nur das: Auch sonst gebe es ständig deutsche Alleingänge, zum Beispiel bei der »Energiewende«, fährt der US-Diplomat fort, der es sich nicht verkneifen kann, auch zu der verlogenen PR-Behauptung Stellung zu nehmen, Deutschland sei eine »Friedensmacht«. »Pläne für die ­NATO-Erweiterung« seien »im Bonner Verteidigungsministerium und nicht in Washington ausgebrütet worden«, schreibt Kornblum. Und irgendwie müsse man doch auch mal erwähnen, daß die Bundesrepublik mit ihren ach so »friedlichen Absichten« immerhin zum »drittgrößten Waffenexporteur der Welt« geworden sei.


(jk)

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