Aus: Ausgabe vom 06.09.2014, Seite 13 / Feuilleton
Nicanor Parra 100
Da ist er aber immer noch: Am Freitag feierte der chilenische Dichter Nicanor Parra seinen 100. Geburtstag. Der als »Antipoet« bekannte Literat lebt gesund, aktiv und von Büchern umgeben in Las Cruces, nicht weit entfernt von der langjährigen Residenz seines literarischen Gegenpols, Pablo Neruda (1904–1973). Kulturministerin Claudia Barattini rief die Chilenen auf, gemeinsam aus seinen Werken zu lesen.
Parras »Antipoesie« ist geprägt von einem eigenwilligen Sprachgebrauch, der neben alltagssprachlichen Bildern auf die Bedeutungsverschiebung bestimmter Figurationen und Konventionen setzt. Ihm wurde bisweilen eine Tendenz zum Manierismus vorgeworfen. Er beeinflußte vor allem die Literatur der Beats in den USA der 1950er Jahre. Mit deren Leuchtfigur Allen Ginsberg (1926–1997) war Parra befreundet und wurde dann auch von ihm ins Englische übersetzt.
Unter der Pinochet-Diktatur verließ Parra nicht das Land, sondern arbeitete weiter an der Universität als Professur für Mathematik und Physik. Sein Hauptwerk, die »Artefactos«, wurde unter Pinochet eingestampft und erst 2006 neu aufgelegt. Rezeptionsgeschichtlich stand Parra stets im Schatten von Neruda, mit dem er aber nicht verfeindet war. Wikipedia kolportiert, daß der Klappentext der Erstausgabe von Parras »Poemas y antipoemas« (1954) eine von Neruda verfaßte Lobeshymne auf Parra gewesen sei, die dieser aber ab der Zweitauflage wieder streichen ließ, »um sich gegen den Einfluß des Lyrik-Übervaters zu wehren, dessen Name, so Parra, lange Zeit wie eine Maßeinheit gehandelt worden sei, um zu ermessen, wie viele ›Nerudas‹ in einem Dichter steckten«.
Und hier noch eine weitere Anekdote aus dem Leben eines 100jährigen: Parra wurde mehrmals für den Literaturnobelpreis nominiert. Er habe den Preis verpaßt, weil er als politisch unkorrekt gelte und eine ungut ausgegangene Beziehung zu einer schwedischen Jurorin gehabt habe, behauptete sein Enkel Cristóbal Ugarte kürzlich gegenüber dem Nachrichtensender CNN Chile. 2011 wurde Parra allerdings mit dem Cervantes-Preis bedacht, der höchsten Auszeichnung der spanischsprachigen Literatur.
(dpa/jW)
Parras »Antipoesie« ist geprägt von einem eigenwilligen Sprachgebrauch, der neben alltagssprachlichen Bildern auf die Bedeutungsverschiebung bestimmter Figurationen und Konventionen setzt. Ihm wurde bisweilen eine Tendenz zum Manierismus vorgeworfen. Er beeinflußte vor allem die Literatur der Beats in den USA der 1950er Jahre. Mit deren Leuchtfigur Allen Ginsberg (1926–1997) war Parra befreundet und wurde dann auch von ihm ins Englische übersetzt.
Unter der Pinochet-Diktatur verließ Parra nicht das Land, sondern arbeitete weiter an der Universität als Professur für Mathematik und Physik. Sein Hauptwerk, die »Artefactos«, wurde unter Pinochet eingestampft und erst 2006 neu aufgelegt. Rezeptionsgeschichtlich stand Parra stets im Schatten von Neruda, mit dem er aber nicht verfeindet war. Wikipedia kolportiert, daß der Klappentext der Erstausgabe von Parras »Poemas y antipoemas« (1954) eine von Neruda verfaßte Lobeshymne auf Parra gewesen sei, die dieser aber ab der Zweitauflage wieder streichen ließ, »um sich gegen den Einfluß des Lyrik-Übervaters zu wehren, dessen Name, so Parra, lange Zeit wie eine Maßeinheit gehandelt worden sei, um zu ermessen, wie viele ›Nerudas‹ in einem Dichter steckten«.
Und hier noch eine weitere Anekdote aus dem Leben eines 100jährigen: Parra wurde mehrmals für den Literaturnobelpreis nominiert. Er habe den Preis verpaßt, weil er als politisch unkorrekt gelte und eine ungut ausgegangene Beziehung zu einer schwedischen Jurorin gehabt habe, behauptete sein Enkel Cristóbal Ugarte kürzlich gegenüber dem Nachrichtensender CNN Chile. 2011 wurde Parra allerdings mit dem Cervantes-Preis bedacht, der höchsten Auszeichnung der spanischsprachigen Literatur.
(dpa/jW)
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