Aus: Ausgabe vom 23.09.2014, Seite 3 / Schwerpunkt
Oligarchenleben: Haifisch mit Zähnen
Michail Borissowitsch Chodorkowski, 1963 in Moskau in einer Familie von Naturwissenschaftlern geboren, träumte von einer Karriere in der Rüstungsindustrie. Daraus wurde nichts, weil seine Eltern Juden waren. So wurde er Politiker und machte Karriere im KPdSU-Jugendverband Komsomol, und als Ende der 1980er Jahre der damalige sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow glaubte, die Versorgungslücken mit Hilfe sogenanntern Kooperativen schließenbeheben zu können, faktisch Privatunternehmen als Insellösungen im Plansystem, sah er seine Chance. Noch vor dem Ende der Sowjetunion gründete der Endzwanziger seine erste Bank, der er als stellvertretender Energieminister unter dem damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin die Finanzierung wichtiger staatlicher Ölfirmen zuschanzte. Eine davon, das Konglomerat Jukos, ersteigerte die Bank dann in einer Insiderauktion weit unter dem Marktwert vom Staat. Chodorkowski gehörte auf einen Schlag zu Rußlands Superreichen.
Die Verwandlung der Privatmacht des Geldbesitzers in gesellschaftliche Macht probierte er erstmals 1996 mit Erfolg aus: aAls Organisator einer von der Oligarchenklasse finanzierten Propagandakampagne, mit der die Wiederwahl des chancenlosen Jelzin gegen starke kommunistische Konkurrenz gesichert werden sollte. Mit dem Erfolg wuchsen die Ansprüche. Chodorkowski verweigerte der Staatsmacht die Symbiose, mit der sich andere Angehörige seiner Klasse erpreßbar halten ließen. Er wollte direkt Einfluß nehmen, spendete sowohl für die Liberalen als auch für die Kommunisten, brüstete sich öffentlich, er könne sich jederzeit eine Mehrheit in der Staatsduma zusammenkaufen. D, und der inzwischen an die Macht gekommene neue Präsident Wladimir Putin hielt das offenbar für plausibel genug, um Chodorkowskis Treiben ein – vorläufiges – Ende zu setzen. Ende 2003 ließ er den Oligarchen aus seinem Privatjet heraus verhaften und wegen diverser Steuer- und Finanzdelikte inhaftieren. Egal, wie berechtigt die Vorwürfe im Einzelnen waren, – das an Chodorkowski statuierte Exempel hat auf den Rest der russischen Oligarchie gewirkt. Sie hält sich seitdem aus der Politik heraus, es sei denn, einer wie Roman Abramowitsch wird von Putin »gebeten«, im Tausch gegen einen Gouverneursposten das entlegene Gebiet Tschukotka an der Beringstraße zu subventionieren. Villen und Fußballklubs fallen auch noch ab. (rl)
Die Verwandlung der Privatmacht des Geldbesitzers in gesellschaftliche Macht probierte er erstmals 1996 mit Erfolg aus: aAls Organisator einer von der Oligarchenklasse finanzierten Propagandakampagne, mit der die Wiederwahl des chancenlosen Jelzin gegen starke kommunistische Konkurrenz gesichert werden sollte. Mit dem Erfolg wuchsen die Ansprüche. Chodorkowski verweigerte der Staatsmacht die Symbiose, mit der sich andere Angehörige seiner Klasse erpreßbar halten ließen. Er wollte direkt Einfluß nehmen, spendete sowohl für die Liberalen als auch für die Kommunisten, brüstete sich öffentlich, er könne sich jederzeit eine Mehrheit in der Staatsduma zusammenkaufen. D, und der inzwischen an die Macht gekommene neue Präsident Wladimir Putin hielt das offenbar für plausibel genug, um Chodorkowskis Treiben ein – vorläufiges – Ende zu setzen. Ende 2003 ließ er den Oligarchen aus seinem Privatjet heraus verhaften und wegen diverser Steuer- und Finanzdelikte inhaftieren. Egal, wie berechtigt die Vorwürfe im Einzelnen waren, – das an Chodorkowski statuierte Exempel hat auf den Rest der russischen Oligarchie gewirkt. Sie hält sich seitdem aus der Politik heraus, es sei denn, einer wie Roman Abramowitsch wird von Putin »gebeten«, im Tausch gegen einen Gouverneursposten das entlegene Gebiet Tschukotka an der Beringstraße zu subventionieren. Villen und Fußballklubs fallen auch noch ab. (rl)
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