Völkerrechtswidriges Instrument
Zu jW vom 14. November: »Mann aus der Vergangenheit«
»Ihm werden vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien schwere Verbrechen während der Kriege der 1990er Jahre vorgeworfen.« Es gab Zeiten, als man solche Sätze in der jungen Welt nicht finden konnte. In diesen Zeiten wurde klargestellt, dass es sich beim genannten »Strafgerichtshof« um ein völkerrechtswidrig geschaffenes Instrument zur pseudojuristischen Sanktionierung der NATO-Propaganda im Zusammenhang mit der Zerschlagung Jugoslawiens im allgemeinen und der antiserbischen Hetze im besonderen handelte. (Übrigens existiert dieser »Strafgerichtshof« nicht mehr; er wurde 2013 durch einen »Restmechanismus« ersetzt.) In diesen Zeiten wäre auch die Serbische Radikale Partei nicht als »ultranationalistisch« geschmäht worden, eine absurde Wortschöpfung, zu der sich die Serbenfresser genötigt sahen, da sie das Attribut »nationalistisch« ja bereits an die Sozialistische Partei Serbiens vergeben hatten. Schließlich wäre auch in diesen Zeiten die Tatsache, dass Vojislav Seselj »knapp zwölf Jahre [...] in Den Haag in Haft« saß, nicht ohne den entscheidenden Zusatz berichtet worden, dass in dieser ganzen Zeit kein Urteil gegen Seselj gesprochen wurde. Vojislav Seselj wurde 2003 in den Niederlanden festgenommen; er war in Kenntnis des gegen ihn vorliegenden Haftbefehls des Jugoslawien-Tribunals dorthin gereist. Nach etlichen Verzögerungen wurde ein Prozess gegen ihn begonnen, der bis heute nicht abgeschlossen ist. Aus »humanitären Gründen« wurde Seselj gewiss nicht freigelassen. Der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic verstarb 2006 in Haft, nachdem ihm von derselben Institution eine dringend notwendige ärztliche Behandlung verwehrt worden war. Da sich der Seselj-Fall nicht biologisch lösen ließ, hätten die Richter ihn von den Vorwürfen freisprechen müssen, denn der Jurist Seselj zerpflückte in der Rolle seines eigenen Verteidigers die Anklage brillant. Seine »vorzeitige« Haftentlassung entband sie von dieser Verlegenheit, die nicht im Sinne ihrer Auftraggeber gewesen wäre. Dass Seselj »ein Relikt aus den 1990er Jahren« sei, wie Roland Zschächner abschätzig urteilt, stimmt allerdings in dem Sinne, dass Seselj für ein souveränes, nicht von der NATO zerstückeltes und besetztes Serbien steht. Hoffen wir, dass Relikten wie ihm die Zukunft gehört! Die von Zschächner nicht erwähnten Menschenmassen, die sich zur Feier von Seseljs Rückkehr am Donnerstag vor dem Parteibüro der Radikalen Partei in Belgrad versammelten, nähren diese Hoffnung.
Sebastian Bahlo, Frankfurt am Main