Herrschende Lüge
Zu jW vom 14. November: »Mann aus der Vergangenheit«
Seseljs Rückkehr nach Serbien hätte für eine junge Welt, die ihr Motto »Wir drucken, wie sie lügen« ernst nimmt, zuallererst Anlass sein müssen, sich mit der herrschenden Lüge vom Haager Tribunal als einem Ort des Rechts und der Gerechtigkeit auseinanderzusetzen: Über elf Jahre hielt dieses sogenannte Gericht Vojislav Seselj gefangen, ohne sich zu einem (wie dann auch immer an den Haaren herbeigezogenen) Urteilsspruch durchringen zu können! Ein in der Geschichte der politischen Schauprozesse wohl einmaliger Vorgang. Statt aber hier ihrem Motto gerecht zu werden, macht die junge Welt bzw. der Autor Roland Zschächner statt dessen Stimmung gegen den glühenden serbischen Patrioten und NATO-Gegner Seselj und denunziert ihn gemäß herrschender Sprachregelung als »Ultranationalisten«. Und den Vorsitzenden der Serbischen Radikalen Partei stuft Zschächner zum bloßen »Anführer« herab, wobei er dann den Namen der Partei mit - auf Ominöses hinweisenden - Gänsefüßchen versieht, obwohl die Serbische Radikale Partei (SRS) seit über zwei Jahrzehnten zum politischen Spektrum Serbiens gehört. Und unbeirrt und pauschal - als gäbe es das Fiasko der Haager Lügen-Anklage gegen Seselj nicht - schreibt Zschächner in antiserbischem Duktus, dass die 1991 zum Schutz der dortigen Serben operierenden SRS-Milizen »für Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina und Kroatien verantwortlich gemacht werden«. Es geht nicht darum, Seselj in allen Punkten für gut zu befinden. Es geht aber sehr wohl darum, ihn trotz seiner problematischen Seiten als Teil der patriotischen Kräfte Serbiens und auch als Opfer der Haager Schauprozesse zu respektieren - anstatt ihn mainstreamgemäß zu diffamieren. Zumindest dann, wenn man für ein von westlicher Oberherrschaft befreites Serbien eintritt.
Hajo Kahlke, per E-Mail