Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Sa. / So., 21. / 22. Dezember 2024, Nr. 298
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 27.11.2014, Seite 14 / Leserbriefe

Österreichs Kirchenhierarchie

Im Juli 1973 hat der Vorsitzende der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR, Bischof Albrecht Schönherr, einen Kommentar über die DDR abgegeben: »Der Sozialismus erstrebt eine Welt, in der die Ausbeutung beseitigt ist und die Gerechtigkeit für alle herrscht [...] Entscheidend ist, dass die Machtverhältnisse von Grund auf verändert werden, dass die Produktionsmittel in die Hand des Volkes kommen [...] Gerade im letzten unruhigen Jahrzehnt gewinnt er [der Christ] zunehmend Verständnis dafür, dass die Frage der Gerechtigkeit nicht nur eine Frage individueller Gesinnung und gleicher Chancen für alle, sondern auch gerechter Strukturen ist.«

Sowohl die evangelischen wie die katholischen Kirchenleitungen Deutschlands sind heute völlig anderer Meinung über die DDR. Das Interesse denkt nicht, sondern berechnet - meinte einst Karl Marx. Die Kirchenleitungen berechnen ihre Privilegien in der »Zivilisation des Reichtums« der Bundesrepublik, weshalb sie sich als politische Zuhälter der Bundesrepublik betätigen und die realsozialistische DDR als »Unrechtsstaat« abtun. Der Mauerfall vor 25 Jahren (9. November 1989) bot ihnen willkommenen Anlass  zu lügen, dass die Christen in der DDR zu den Verfolgten gehört hätten, aber deren anhaltend innige Gebete zum friedlichen Mauerfall und zum Ende des Kommunismus beigetragen hätten. Von einer solchen Interpretation der Geschichte hält nicht einmal Altbundeskanzler Helmut Kohl irgendetwas, die Implosion der realsozialistischen, jedenfalls nicht kommunistischen DDR hatte ökonomische Ursachen. Die Kirchenleitungen übersehen geflissentlich, dass die Eliten ihres Hauptsponsors wirtschaftliche und militärische Kriege führen lassen. Die Bundesrepublik Deutschland ist zum Hegemon jenes Europa geworden, an dessen Mauergrenzen die Flüchtlinge im Meer ertrinken und wo der bundespräsidiale Pastor Joachim Gauck noch mehr Bundeswehreinsätze in der Welt fordert.

Die österreichische Hierarchie von Christoph Kardinal Schönborn abwärts beteiligt sich als Vorort von Berlin am Mauerfallhype der deutsch-österreichischen Medienkonzerne. In der Zeitung der Erzdiözese Der Sonntag (9. November 2014) wird die Zaghaftigkeit der deutschen katholischen Bischöfe beklagt, in öffentliche Opposition zur DDR zu treten. Damit kann der Wiener Kardinal heute sein forsches Auftreten in der Ukraine besser verkaufen. In Innsbruck hat die katholische Universitätspfarre der »katholischen Universität« Innsbruck am 13. November 2014 ihre Veranstaltung mit dem Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Dr. Hubertus Knabe, mit großem Aufwand beworben, um an der »Aufarbeitung eines jahrzehntelangen Systems der Unterdrückung und des Terrors gegen die eigene Bevölkerung« liebdienerisch teilzuhaben. Ihr Pfarrbrief für November 2014, auf der Universität heißt das natürlich Epistula, jubelt mit Pastor Joachim Gauck. Die katholische Kirche Österreichs scheint sich heute schon der deutschen angeschlossen zu haben, das mag bedauerlich sein, aber ist für einen historisch denkenden Österreicher nicht überraschend.

Gerhard Oberkofler, per E-Mail