Schneller und schlimmer
Von Dietmar KoschmiederDie erste Rosa-Luxemburg-Konferenz der Tageszeitung junge Welt fand im Januar 1996 statt. Bewusst wurde dazu der Vortag der traditionellen Kundgebung an der Luxemburg-Liebknecht-Gedenkstätte in Berlin-Friedrichsfelde gewählt. Absicht war und ist, dabei mitzuwirken, dass diese in der DDR gepflegte Tradition weitergeführt wird. Erinnert wird an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Januar 1919 – dabei wird ebenfalls aller anderen revolutionären Kämpfer gedacht, die in Friedrichsfelde und anderswo ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Mit Kundgebung und Demonstration wird auch ihr Erbe weitergetragen: der Kampf für eine Welt ohne Krieg und Faschismus, ohne Ausbeutung und Profitlogik. Weil das ohne Systemwechsel nicht möglich ist, wird hier auch für Sozialismus demonstriert. Es ist bis heute die größte regelmäßig stattfindende antikapitalistische Manifestation im deutschsprachigen Raum.
Die erste Luxemburg-Konferenz fand im Berliner »Tränenpalast« statt. Mit Vertretern von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, PDS und DKP diskutierten wir schon 1996 die Frage: »Frieden schaffen mit Blauhelmwaffen? Der Abschied der Linken vom Antimilitarismus.« Zwar gab es eine Partei Die Linke noch gar nicht, und eine zentrale Forderung der Grünen hieß »Raus aus der NATO!« (auf Bundesebene kannten sie da nur die Oppositionsrolle). Aber die These der jungen Welt war damals, dass viele der sich noch als links verstehenden Politiker von Grünen und SPD in absehbarer Zeit ihre antimilitaristische Position aufgeben werden. Unsere Gesprächspartner von SPD und Grünen hielten diese Einschätzung damals für völlig absurd. Tatsächlich kam es schneller und schlimmer: Der erste grundgesetz- und völkerrechtswidrige Angriffskrieg mit Bundeswehr-Beteiligung nach 1945 folgte 1999 gegen Jugoslawien. Möglich war der nur mit einer »rot-grünen« Regierung.
Als die Tageszeitung junge Welt die erste Luxemburg-Konferenz veranstaltete, war Oskar Lafontaine Ministerpräsident des Saarlandes und Vorsitzender der SPD. Der frühere verteidigungspolitische Sprecher der CDU, Willy Wimmer, stand der OSZE als Vizepräsident vor. Nur der Schauspieler Rolf Becker war damals schon, was er heute noch ist: ein beliebter Darsteller. Sie werden, moderiert von jW-Chefredakteur Arnold Schölzel (er war 1996 bereits Autor dieser Zeitung), auf der kommenden Konferenz am 10. Januar 2015 in Berlin die gleiche Problematik wie 1996 diskutieren: den »Abschied der Linken vom Antimilitarismus«. Diesmal bezieht sich das Motto allerdings auf die Situation in der Partei Die Linke: Oskar Lafontaine wird die Haltelinie »Keine Militäreinsätze!« verteidigen. Willy Wimmer, der schon den Bundeswehr-Militäreinsatz in Jugoslawien für verfassungswidrig hielt, wird erklären, warum er diese Position in der Linkspartei als bereits geschliffen erachtet. Rolf Becker wird sich auf die Frage konzentrieren, was das alles mit der Eigentumsfrage zu tun hat – und welche Folgen zu erwarten sind, falls deutsches Militär künftig auch mit Zustimmung der Linken marschiert.
Nach diesem Gespräch geht es auf der Konferenz weiter mit Dota Kehr, Kleingeldprinzessin und angesagte Musikkünstlerin, in Begleitung ihres Gitarristen Jan Rohrbach. Tags zuvor gastiert sie bereits im Berliner Lido. Da dort bereits ausverkauft ist, gibt es noch einen Tag früher ein Zusatzkonzert. Dotas Auftritt auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz wird also der dritte in Folge sein – aber dafür außergewöhnlich, nicht nur wegen des Ortes und des Publikums, sondern vor allem wegen der speziellen Gäste: Gian Paolo Picchiami (Leadsänger von Banda Bassotti) und die Berliner Folkpunkband The Pokes kommen dazu. Erst nach diesem Konzert endet der offizielle Teil der Konferenz mit dem Singen der Internationale.
Aber selbst dann muss noch nicht Schluss sein: Empfehlenswert ist der Auftritt von Lautaro Valdez und Mula Santa, zu dem dann die DKP, neben dem Café K (2. Obergeschoß in der Urania), einlädt. Dort wird es karibische Livemusik von Son Batey und frisch zubereitete Mojitos am Stand von Cuba Sí geben. Denn es ist nicht nur die XX. Rosa-Luxemburg-Konferenz zu feiern – sondern auch die Befreiung der »Cuban Five« aus US-amerikanischen Knästen.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 11.12.2014
Armutszeugnis
- 11.01.2011
Bloß keine Inhalte
- 07.01.2011
»Was ist denn da los?«
Regio:
Mehr aus: Aktion
-
Online-Logbuch (9 und Schluss)
vom 20.12.2014