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Aus: Ausgabe vom 14.02.2015, Seite 16 / Aktion

Kriegsdienstverweigerung

Medien werden dringend als Wehrkraftzersetzer benötigt
Von Dietmar Koschmieder
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Kein Krieg ist führbar, solange die Heimatfront nicht steht. Dabei muss die Bevölkerung nicht wie noch vor 100 Jahren zum Jubeln gebracht werden. Es reicht, wenn die Mehrheit, die ja eindeutig gegen eine deutsche Kriegsbeteiligung ist, stillhält. Und dafür sorgen in trauter Einheit die meisten Politiker und Medien. Mit der Folge, dass sich Deutschland mit dem Krieg gegen Jugoslawien erstmals seit 1945 wieder offiziell an aggressiven, völkerrechtswidrigen Angriffskriegen beteiligen konnte – ohne dass die Kriegsparteien bei der nächsten Wahl abgestraft wurden, ohne dass es Aufstände im Lande gab. Denn 1999 verkündeten die Medien nahezu gleichgeschaltet, dass die Lehren von Auschwitz Deutschland geradezu verpflichten würden, sich an friedenssichernden Maßnahmen gegen den als »Hitler vom Amselfeld« bezeichneten Chef der gewählten jugoslawischen Regierung, Slobodan Milosevic, zu beteiligen. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurde dann zum Beispiel am 30. Mai 1999 eine Brücke über den Fluss Morava in der Kleinstadt  Varvarin bombardiert. Militärische Ziele gab es zwar nicht, aber ein Volksfest. Die meisten Menschen starben bei einer zweiten Angriffswelle, während Zivilisten versuchten, die Toten und Verletzten zu bergen. Damals schrieb die junge Welt gegen diese Verbrechen an – während andere Zeitungen entsprechend der Vorgaben aus der Politik noch nicht einmal bereit waren, diesen Krieg als Krieg zu bezeichnen.

Zehn Jahre später hat man sich daran gewöhnt und spricht in vielen Medien von Krieg mit deutscher Beteiligung, mit ablenkenden Zusätzen wie  Menschenrechtsintervention, Kampf gegen Terror und ähnlichem. Aber man sprach bereits offen davon, dass deutsche Interessen eben auch am Hindukusch verteidigt werden müssten. Das dazu benötigte deutsche Heerlager im afghanischen Kundus nannte man verschleiernd »Deutsches Wiederaufbauteam«. Das verfügte schon damals über Drohnen, mit denen man zum Beispiel am 4. September 2009 zwei von Taliban entführte Tanklastzüge verfolgte, die dann auf einer Sandbank im Fluss Kundus steckenblieben. Viele Zivilisten suchten die Laster auf, offensichtlich um sich mit Benzin zu versorgen. Der kommandierende deutsche Wiederaufbauer vor Ort,  Oberst Georg Klein, lehnte eine weitere Aufklärung ab, forderte statt dessen über seinen deutschen Fliegerleitoffizier mit dem passenden Namen »Red Baron« den Einsatz von sechs Bomben an, die genau zwischen die Tanklastzüge geworfen werden sollten. Ausdrücklich, um möglichst viele Menschen zu treffen. Fünfmal schlugen die US-amerikanischen Bomberpiloten vor, wie üblich vor dem Abwurf per Tiefflug Menschen zu vertreiben, fünfmal lehnte Aufbauleiter Klein dies ab. Entgegen seiner Anordnung wurden dann zwei statt sechs Bomben auf die Menschen geworfen. Amnesty International veröffentlichte später eine Namensliste von 83 dabei getöteten Zivilisten, viele davon unter 16 Jahre alt. Andere Institutionen gehen von deutlich mehr Opfern aus. »Red Baron« wurde kurz danach zum Hauptfeldwebel befördert, Oberst Georg Klein später zum Brigadegeneral.

Wieder fünf Jahre später ist es ganz normal, dass Deutschland Kriege führt. 130 Auslandseinsätze mit insgesamt bis zu 10.000 Bundeswehrsoldaten registriert Wikipedia bis heute, es gibt eine Einsatzmedaille der Bundeswehr, neue Totenhaine für die fürs Vaterland Gefallenen und Meldungen über posttraumatische Störungen bei Bundeswehrsoldaten. Zur Rekrutierung neuer Soldaten wurde am 19. November 2014 das erste Anwerbebüro als Showroom der Bundeswehr in Berlin eröffnet – und auch diese Art von Wiederaufbauteam leitet Brigadegeneral Klein. Zum Erreichen von Kriegszielen arbeiten NATO und Bundesregierung offen mit faschistischen Kräften zusammen. Ist man früher bereit gewesen, regionale Flächenbrände auszulösen, scheut man sich heute auch vor größeren Aufgaben nicht. Am 15. Januar 2015 meldet dpa: »Die Bundeswehr hat ab sofort eine Schlüsselrolle beim Aufbau der neuen schnellen Eingreiftruppe der NATO für den Krisenfall.« Diesmal sollen deutsche Interessen im deutschen Hinterhof bei den östlichen Nachbarn verteidigt werden. Der Krieg rückt näher, mit Kaiser’s Tengelmann springt die erste deutsche Einzelhandelskette auf den Zug der Zeit: In ihrer Kundenzeitschrift machte sie im Dezember 2014 unter der Überschrift »Gut vorsorgen! Vorausschauend handeln!« Vorschläge für eine Notbevorratung. Von Krieg ist da noch nicht die Rede.

Diese Entwicklung wäre undenkbar, wenn die Medien nicht fast vollkommen eingebunden worden wären in diese Art von Umerziehung. Auch linke und linksliberale Zeitungen machten und machen mit, wie beispielsweise die Tageszeitung (taz). »The times, they are a-changin’« kündigte sie schon Mitte der 90er Jahre an. Das Peace-Zeichen, für das die Zeitung einmal stand, wird neben den Mercedes-Stern gestellt, das Zeichen der Firma, von der man Anzeigen will. »Das Rad der Geschichte hat sich weitergedreht«, bedeutungsschwanger daruntergeschrieben. Nur wenig später war sie eine der Zeitungen, die sich mit besonderer Vehemenz für den Kriegseintritt Deutschlands gegen Jugoslawien aussprach. Ein Lernprozess trat auch nach den Bomben auf die Brücke von Varvarin und zwischen die Tanklastzüge in Kundus nicht ein, wie eine kleine Meldung der taz vom 18.10.2012 zeigt: »Bundeswehrbesuch bei der taz. Unser Geschäftsführer führte gerade die Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation durch die taz. Die Presseoffiziere werden in Pressearbeit geschult und sollen die Abläufe in Zeitungen kennenlernen. Auch Praktika sind für die Offiziere während der Schulungen verpflichtend. Einer hat sich gleich für ein Praktikum bei taz.de beworben. O-Ton Offizier: »Zu Springer muss ich nicht, die haben sowieso unsere Meinung.« O-Ton Redakteur: »Unterstützung in Pünktlichkeit und Disziplin können wir gebrauchen.« Ende der Durchsage.

Kriege sind nicht führbar, wenn die Heimatfront sich verweigert. Deshalb ist es so enorm wichtig, dass Zeitungen wie die junge Welt eine stärkere Verbreitung im Lande finden. Und durch Abonnements in ihrer aufklärerischen Arbeit gestärkt werden.

 

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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