Ciao-Ciao, Dietl
Manchmal hat Horst Seehofer recht. Der bayerische Ministerpräsident hat den am Montag verstorbenen Regisseur Helmut Dietl als einen »der ganz großen deutschen Regisseure und Drehbuchautoren« gewürdigt. Er sei eine Institution gewesen und habe »Bayern und München mit seinen Werken tief in die Seele geschaut und damit unvergleichliche Charaktere geschaffen«. Dietl wurde in den 1980er Jahren berühmt mit seinen in München spielenden Fernsehserien »Monaco Franze« und »Kir Royal«, schon vorher hatte er die »Münchner Geschichten« erzählt – und darin sehr originelle und komische Impressionen aus einem heute fast völlig weggebaggerten futschikato-gentrifizierten proletarischen München festgehalten. In dieser 1974 augestrahlten Serie sieht man schon, wie im Hintergrund der Szenen das alte Stadtviertel Lehel abgerissen und umgebaut wird.
Dietels bester Kinofilm »Schtonk« (1992) spielte dagegen in Hamburg und verhandelte eine der größten Grotesken der bundesdeutschen Mediengeschichte: Die Entdeckung, dass die Entdeckung der »Hitler-Tagebücher« keinerlei Entdeckung war, sondern eine Fälschung. Von Dietls wiederum in München angesiedelter Komödie »Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief« (1997) sagt man, alles, was da an Klatsch und Tratsch und Emotion in einem Szenelokal verhandelt wurde, sei wahr gewesen. Wie schrieb Diedrich Diederichsen in seinem autobiographischen Frühwerk »Sexbeat« (1985)? Der Klatsch sei »die letzte materialistische Waffe gegen die Meinung«. (jW)
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