Sex und Hirn und Drecksack
Der neue Drecksack ist draußen. Die im Prinzip letzte »lesbare Zeitschrift für Literatur« (Untertitel) des Landes bringt einen schönen Nachruf auf den im September verstorbenen Anarchisten und Verleger Bernd Kramer von Erik Steffen. Zusammen mit seiner im März 2014 verstorbenen Frau Karin betrieb er den Karin Kramer Verlag als »Nischendasein auf dem Feuerstuhl«, wie Steffen schreibt. Seine angemessen anrührende Bilanz lautet: »Karin und Bernd haben Wärme an alle gegeben, wo nun Kälte ist. Mehr kann man von der Wirkung von Literatur nicht erwarten«. Genauso so ist es!
Marvin Chlada würdigt den Trashfilmgiganten Russ Meyer (1922–2004) und zitiert die Hauptdarstellerin Pandora Peaks aus Meyers gleichnamigem, letztem Film: »Ich setze auch gern meinen Kopf ein, Hirn und Sex, das ist aufregend. Ich denke viel nach«. Und Katja Kullmann hat eine brillante Miniatur-Berlin-Studie verfasst, in dem sie in einem als Cafe getarnten Imbiss an der Ecke Rosenthaler / Neue Schönhauser einen Kaffee für 3,10 Euro konsumiert: »der kleinste Kaffee nennt sich ›tall‹, also ›groß‹«. Sie belauscht ein Gespräch zweier jüngerer Berlin-Mitte-Schwachmatinnen. Die eine tauft sie »Mia«, die andere Elisabeth und vermutet, das letztere bis 15 »Lisa« gerufen wurde, doch dann gab es auf einmal zu viele Lisas in ihrem Umfeld, so dass sie auf »Lizzy« umschwenkte und weil auch die immer mehr werden, wird sie wahrscheinlich bald wollen, dass man sie »Lisbeth« ruft. Schiebt ein Mann einen Rollstuhl vorbei, fragt sie: »Wie fertig kann man eigentlich sein, ey?«(jW)
Drecksack 2/15, 3 Euro, www.edition-luekk-noesens
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