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Aus: Ausgabe vom 17.06.2015, Seite 11 / Feuilleton

Kleine Begebenheit

Von Wiglaf Droste

In einem Berliner Café, das von lesbischen Frauen geführt und betrieben wird, die nach guter großstädtischer und großzügiger Sitte und Lebensart auch heterosexuelle Kundschaft, sei sie nun weiblich oder männlich, nicht mit Unfreundlichkeit straft, sitzt gegen 19 Uhr ein lesbisches Pärchen; es handelt sich dabei um eine Deutsche und eine Amerikanerin. Beide trinken sehr viele große Biere, sind dauerlaut und blicken kontinuierlich anheischig um sich. Alle sonstigen Gäste im Lokal, unter ihnen auch andere lesbische Paare, suchen sukzessive die entferntestmöglichen Plätze auf. Sie möchten nicht als Publikum rekrutiert und missbraucht werden für etwas, das sie weder näher anginge noch sie interessierte.

Das aufdringliche Pärchen ist mit dem Mangel an Aufmerksamkeit offenbar stark unzufrieden und erhöht den akustischen wie optischen Druck um viele Ampere. Ein Bierglas fliegt vom Tisch, es wird nach einem Lappen gebrüllt und weiter um sich gestiert, ob auch jeder das habe miterleben müssen. Ein mir nicht völlig unbekannter Mann entschließt sich zu einem Akt der Güte und bittet die Damen um Drosselung ihrer Bemühungen, für sich von selbst Verstehbares angestaunt zu werden. Seine zivilisierte Courage wird mit den Worten »Ich lasse mich nicht gängeln!« quittiert. Dem Glauben, Dummheit und Unverfrorenheit seien Menschenrechte, ist schwer beizukommen.

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