Meldungen
Äußerlich unbeeindruckt von weiteren Berichten über rechtsextreme Vorfälle in der Bundeswehr, stattete Volker Rühe am Sonnabend zusammen mit seinem italienischen Kollegen Andreatta der Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall einen Truppenbesuch ab. Doch Schneestürme verhinderten das Großmanöver. Statt einer Demonstration mit Panzern und Hubschraubern bekamen die Besucher nur ein paar Kletterübungen an einer Felswand zu sehen.
Der Minister war noch unterwegs zum Salzburger Flughafen, da meldete der »Focus« unter Berufung auf einen deutschen und einen amerikanischen Offizier, die beide anonym bleiben wollten, etwa 30 junge Soldaten hätten vor einem Jahr im kroatischen Trogir im Mannschaftsheim des Feldlazaretts »Sieg Heil!« und »Heil Hitler!« gebrüllt. Der Autor erklärte, die Offiziere hätten den Vorfall damals nicht gemeldet. Das Verteidigungsministerium erklärte am Sonnabend, es gebe keinen Anhaltspunkt, daß es diesen Vorfall tatsächlich gegeben habe.
»Der Spiegel« berichtete zeitgleich, eine rechtsextreme Hamburger Studentengruppe hätte 1990 als Zuhörer an einer Veranstaltung der Bundeswehr-Führungsakademie teilgenommen. Das Verteidigungsministerium erklärte, ein Marineoffizier sei vernommen worden, disziplinarische Konsequenzen würden geprüft. Dagegen dementierte ein Sprecher, daß Offiziersstudenten bei einem Besuch der KZ- Gedenkstätte Neuengamme 1993 antisemitische Äußerungen von sich gegeben hätten. Alle Teilnehmer seien dazu vernommen worden. Ein Offiziersanwärter soll damals gesagt haben: »Es ist so kalt, leg' im Krematorium mal ein paar Juden nach, die brennen so gut.«
Sechs Stunden trotzten die Journalisten in Bad Reichenhall der Kälte, um Rühe ein Statement dazu abzuringen. Als Rühe dann eintrifft, wird er zum Selbstverteidigungsminister. Rühe forderte in Bad Reichenhall den Focus auf, seine Quellen offenzulegen und so eine Nachprüfung zu ermöglichen. Schon mehrere ähnliche Anschuldigungen hätten sich als falsch erwiesen. »Das ist die Stunde der Gerüchtemacher und Provokateure«, sagt er und macht die Journalisten gleich zu Mitschuldigen: »Wenn die Medien alle Gerüchte ungeprüft weitergeben, machen sie das Spiel der Provokateure mit.« Als »unglaublich« bezeichnet er die »Zusammenarbeit von Panorama mit dem Rechtsterroristen Roeder«. Das ARD-Magazin hatte den Neonazi als Zeugen auftreten lassen.
Und als wolle er beweisen, wie gut alles in der Truppe funktioniert, fragt er die jungen Gebirgsjäger nach ihren Erfahrungen bei der Bundeswehr. Immer wieder: »Wie geht's? Alles in Ordnung?« Man glaubt, Rühes Gedanken lesen zu können: Sehen so Rechtsradikale aus? Nach außen scheint wirklich alles in Ordnung zu sein. Auf die Journalisten-Frage, ob er denn einen Rücktritt immer noch ausschließe, reagiert er jedoch unwirsch: »Verziehen Sie sich! Es gibt keine Interviews mehr.«
Der SPD-Verteidigungsexperte Walter Kolbow hat Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) angesichts der jüngst bekanntgewordenen rechtsradikalen Vorfälle bei der Bundeswehr am Sonntag im ZDF vorgeworfen, die innere Führung bei den Streitkräften vernachlässigt zu haben. Bei dem jetzt eingesetzten Untersuchungsausschuß des Bundestages gehe es auch darum, »Schützenhilfe« für den guten Ruf der Bundeswehr zu leisten, der durch eine »Serie von Einzelfällen« beschädigt worden sei. Dabei sei auch nach der politischen Verantwortung des »persönlich integeren« Verteidigungsministers zu fragen. Zwar stelle man nicht die Forderung nach einem Rücktritt Rühes, doch seien »andere für viel weniger zurückgetreten«.
Zur Frage, ob an einer Veranstaltung in der Führungsakademie der Bundeswehr mit ehemaligen Wehrmachtsangehörigen auch Mitglieder der Waffen-SS beteiligt waren, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Bernd Wilz (CDU), er kenne entsprechende Gerüchte. Zwar gebe es »Möglichkeiten, daß etwas dran ist«. Nach seinem jetzigen Kenntnisstand gehe er aber davon aus, daß keine Angehörigen der Waffen-SS daran teilgenommen hätten.
(AP/ddpADN/jW)
(Siehe auch die beiden folgenden Eigen-Beiträge zum Thema)
Radunski: Keine Mark mehr für Hochschulen
Berlins Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) hat klargestellt, daß es nicht mehr Geld für die Hochschulen der Hauptstadt geben wird. In der Berliner Morgenpost vom Sonntag bezeichnete Radunski die Hochschulverträge als »unabänderlich«. Am Freitag abend hatte die Vollversammlung der Humboldt-Universität mit großer Mehrheit beschlossen, bis zum 5. Januar weiterzustreiken. Zu einer außerordentlichen LandesschülerInnenkonferenz trafen sich ebenfalls am Freitag abend 300 SchülerInnen von 60 Berliner Schulen.
(jW)
Mo., 15. 12., Karlsruhe: 10 bis 12 Uhr, Der Rektor der Uni und Studentenvertreter zur Bildungsmisere - Radiodiskussion im SDR 3, Eiermann-Hörsaal, Gebäude 20.40 der Uni. 12 Uhr Treffen im Mensahof zur »Wilden Bücherlesung auf dem Marktplatz«
Mo., 15. 12., München: 18.30 Uhr, Studierenden-Aktion gegen Schäuble-Auftritt an der Uni, Lichthof der LMU
Mo., 15. 12., Berlin: 13 Uhr, Mit dem Kanzler den Bach runter, Schloßplatz
Mo., 15. 12., Berlin: 16 Uhr, Treffen des Unabhängigen Bündnisses Berliner Schüler, Buchhandlung Tucholskystr., neben Zosch
Mo., 15. 12., Weimar: zentrale Demo
Mo., 15. 12., Rostock: 10 Uhr, Posaunenchor bläst für Bildung, Uniplatz. 12 Uhr tägliche Demo. 17 Uhr Menschenkette für und mit allen Studis, vom Uni- Hauptgebäude zum Sozialamt
Mo., 15. 12., Regensburg: 13 Uhr, VV Politik, Sprach/Lit, H 16, 22
Di., 16. 12., Berlin: 10 bis 12 Uhr Vorträge zu Hochschulrahmengesetz, BAföG und alternativem Hochschulmodell. 15 Uhr Podiumsdiskussion mit FU- Präsident Gerlach und Politikern von CDU bis PDS, Fachbereich Physik der FU
Di., 16. 12. bis Do., 18. 12., Berlin: Um 8 Uhr beginnt Vorlesungsmarathon »Und wieder 48 Stunden - Berliner Studenten für Bildung ohne Ende«, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Treskowallee 8
Di., 16. 12., Berlin: Die LandesschülerInnen-Vertretung bringt eine Streikzeitung mit einer Auflage von 40 000 Exemplaren heraus
Di., 16. 12., Bremen: 14 Uhr, Diskussion mit Rektorat, Hörsaalgebäude
Di., 16. 12., Regensburg, 10 Uhr, VV Uni, Audimax
Mi., 17. 12., Hamburg: 10 Uhr, Treffen an der Hochschule für Wirtschaft und Politik zum Sternmarsch, Zielort: Campus der Hamburger Uni. 14 Uhr gemeinsame VV der Hamburger Unis und FH, Audimax der HWP
Mi., 17. 12., Göttingen: 17 Uhr, Demo eines breiten Bündnisses aus Betriebsräten, Gewerkschaftern, Schülern, Studierenden und Initiativen gegen Sozialabbau, Start: Bahnhofsvorplatz
Mi., 17. 12., Bremen, Demo von Uni, Schulen, Gewerkschaften, Arbeitslosen
Do., 18. 12., Bonn, zentrale Demo
junge Welt will für die Dauer des Uni-Streikes täglich eine bundesweite Übersicht der geplanten Aktionen abdrucken. Ankündigungen für diese Terminleiste bitte an das Aktionsbüro, Fax-Nr. (030) 533 34 343 senden. Unter dieser Nummer können auch Zeitungen für den darauffolgenden Tag bestellt werden. Hierfür bitte die Anzahl der benötigten Exemplare, die genaue Lieferanschrift und eine Kontaktperson mit Telefonnummer angeben. Die Bestellungen für den darauffolgenden Tag müssen bis 10 Uhr eingegangen sein. Bitte berücksichtigen, daß die Lieferung morgens zwischen 6 und 10 Uhr erfolgt. Die Zeitungen werden gegen eine Spende (Lieferkosten) abgegeben.
Das jW-Aktionsbüro ist zu erreichen unter (030) 536355-10
MÜNCHEN. Ein Arzt, der die Eltern eines behinderten Kindes vor dessen Geburt genetisch falsch beraten hat, muß der Familie Schadensersatz zahlen. Er muß den Eltern den vollen Unterhaltsbedarf des Kindes bezahlen, berichtete der Focus mit Bezug auf ein aktuelles Gerichtsurteil. Danach bestätigte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in einem Urteil eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom November 1993. Die Entscheidung des Ersten Senats löste laut Focus heftigen Streit im höchsten deutschen Gericht aus, denn der Zweite Senat hatte 1993 in seinem sogenannten Abtreibungsurteil ausdrücklich festgestellt, »eine rechtliche Qualifikation des Daseins eines Kindes als Schadensquelle« komme wegen Artikel 1 im Grundgesetz nicht in Betracht.
(ddpADN/jW)
HAMBURG. Den Mietern in den neuen Ländern droht laut »Bild am Sonntag« durch den Wegfall des Mietenüberleitungsgesetzes im nächsten Jahr eine Explosion der Mietpreise. Nach Altbau-Modernisierungen können die Mieten um bis zu 80 Prozent steigen, schrieb die in Hamburg erscheinende Zeitung. »Mit dem Wegfall des Mietenüberleitungsgesetzes zum Ende des Jahres fallen auch die Kappungsgrenzen bei den Modernisierungszuschlägen«, sagte Ulrich Ropertz, Sprecher des Deutschen Mieterbundes (DMB), dem Blatt. Der Deutsche Mieterbund fordere deshalb, den Wegfall der Kappungsgrenze in den neuen Ländern zu stoppen. Rund 1,8 Millionen Wohnungen müssen in den neuen Ländern noch saniert werden. »Wir gehen davon aus, daß mindestens 150 000 Wohnungen in Ostdeutschland ab 1998 teilweise drastisch über der bisherigen Modernisierungs-Kappungsgrenze veranschlagt werden«, sagte Ropertz.
(ddpADN/jW)
TEMPLIN. Der bundesweit einmalige Modellversuch »Fahrscheinfreier Stadtverkehr« ist am Sonntag in der Uckermark-Kommune Templin gestartet worden. Für zwei Jahre können die vier Stadtbuslinien ab sofort kostenlos genutzt werden. Die Stadt kauft dafür pauschal die Fahrscheine ein und verspricht sich davon nicht nur eine Entlastung der permanent verstopften City, sondern auch eine Erhöhung der touristischen Anziehungskraft.
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