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Aus: Ausgabe vom 09.11.2015, Seite 3 / Schwerpunkt

Kasparow im ­Spiegel

Garri Kasparow, der 2014 zu seiner russischen Staatsbürgerschaft auch noch die kroatische erwarb, wurde am 9. November 1985 in Moskau mit 22 Jahren bisher jüngster Schachweltmeister. 2005 hörte er mit dem Leistungssport auf und engagierte sich in der russischen Opposition gegen Wladimir Putin. Der Spiegel veröffentlichte am Samstag ein Interview mit Kasparow unter dem Titel »Putin braucht Kriege«. Die Zeitschrift illustrierte den Text u. a. mit der Fotografie einer offenbar von Kugeln durchlöcherten Zielscheibe mit einem Putin-Bild aus dem westukrainischen Lwiw – ukrainische Gewaltpropaganda in einer Zeitschrift mit einer Auflage von über 800.000 Exemplaren und mehr als sechs Millionen Lesern. Anlass des Interviews ist das Erscheinen des Buches »Warum wir Putin stoppen müssen« von Kasparow in der Deutschen Verlagsanstalt (DVA). 2014 veröffentlichte der Spiegel einen Titel mit Porträts von Opfern des über der Ostukraine abgeschossenen malaysischen Passagierflugzeugs und der Schlagzeile »Stoppt Putin jetzt«.

Einige Zitate aus dem Interview: »Russland ist heute ein Mafiastaat und Putin sein oberster Pate. Das Regime ist wirtschaftlich angeschlagen, es kann seinen Bürgern nichts mehr bieten. Deshalb muss Putin eine aggressive Außenpolitik betreiben, seinem Volk das Märchen vom russischen Stolz und zurückgewonnener Großmachtstärke auftischen, wobei er sich faschistischer Propaganda bedient. Er führt sich von der Ukraine bis Syrien als neuer Feldherr der Welt auf und feiert Siege – während der amerikanische Präsident nur zuschaut und Europa schläft. Das Verhalten des Westens gegenüber Putin ist eine politische und moralische Kapitulation.« (…) »Dem Westen fällt gegenüber Moskau nichts ein außer Appeasement.« (…) »Wir leben in einer neuen Eiszeit, wir müssen gegenüber dem Kreml die Rezepte des Kalten Kriegs wieder anwenden, Isolation statt weiterer Verhandlungsangebote. Und der Ukraine hätte man längst Waffen liefern müssen.« (…) »Ich sage nicht, dass George W. Bush alles richtig gemacht hat. Aber auch wenn man seinen Irak-Krieg skeptisch beurteilt: Obama hat den schwerwiegenderen Fehler begangen, als er frühzeitig seine Truppen aus dem Irak zurückzog.« (…) »Ich hoffe, die Russlandpolitik wird im Wahlkampf (um die Präsidentschaft in den USA, jW) eine große Rolle spielen. Und ich hoffe, dass meine Argumentation Gehör finden wird.«

Nachsatz: Kasparow kann sich da sicher sein. Am Samstag kündigte US-Verteidigungsminister Ashton Carter größeren militärischen Druck auf Russland an. Insbesondere sollen Atomwaffen, Langstreckenkampfflieger, Drohnen und die Ausrüstung für elektronische Kriegsführung modernisiert werden. (asc)

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