Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 10.11.2015, Seite 11 / Feuilleton

Martinssingen

Morgen, am 11.11., wird nicht nur die grauenhafte Karnevals-, Fastnachts- und Faschingszeit eröffnet, sondern auch die Tradition des Martinssingens gepflegt. Dem später heiliggesprochenen Martin wird nachgesagt, er habe bei starkem Frost für einen frierenden Bettler seinen weiten Mantel mit dem Schwert geteilt und dem Bedürftigen eine Hälfte abgegeben. Weil Jahre danach sein Leichnam mit einer Laternenprozession nach Tours überführt wurde, gibt es noch heute Martinsumzüge und das Martinssingen, bei dem Kinder mit Laternen von Haus zu Haus ziehen, um für ihren Gesang Apfel, Nuss und Mandelkern, Orangen, Mandarinen, Schokolade, Bonbons, Plätzchen oder sogar auch mal ein kleineres Geldstück zu erheischen.

Das taten auch wir als kleine Dötzen und Botten – nebenbei: Wer als Deutschsprachiger Kinder »Kids« nennt, was nichts bedeutet als kleine Konsumenten und Zielgruppe, sollte kompetent entmutigt werden – und sangen Lieder wie »Ich gehe mit meiner Laterne« und »Laterne, Laterne«.

Weil aber anderthalb Wochen vor dem Martinssingen der Reformationstag begangen wird, bei dem ein gewisser Dr. Martin Luther, quasi der Wartburg unter den Religionsführern, im Zentrum steht, nahmen wir auch ein Lied über ihn ins Repertoire auf, das wir bei einem älteren Schüler aufgeschnappt hatten: »Martin Luther singen wir / Martin, mach uns schnell ein Bier, / Mach mir ein Brot mit Schinken, / dann lass ich einen stinken /Martin Luther singen wir. // Martin Luther singen wir, / Martin, mach uns noch zwei Bier / Mach mir ein Brot mit Käse, / leck ich dir die Mäse / Martin Luther singen wir.«

Zum Verständnis sollte man wissen, dass »Mäse« nichts mit »Möse« zu tun hat, sondern westfälisch »Kimme« bedeutet, also Poporitze. Die Wirkung des Luther-Liedes war jedenfalls durchschlagend: Essig war’s mit Süßkram und Schlickerzeug, man wies uns die Tür. Und so ließen wir das Lied lieber weg, sackten unseren Sängerlohn ein, das schöne Lied geriet in Vergessenheit, bis es mir – o seltene Wonne des Älterwerdens! – pünktlich zum Martinstag wieder einfiel.

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