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Aus: Ausgabe vom 13.01.2016, Seite 3 / Schwerpunkt

»Ben-Ali-Nostalgie«

Der morgige Donnerstag ist in Tunesien Feiertag. Vor fünf Jahren, am 14. Januar 2011, floh Diktator Zine El Abidine Ben Ali nach Massenprotesten außer Landes. Die Demonstrationen entfachten das, was dann »arabischer Frühling« heißen und mehrere Länder des Nahen Ostens erfassen sollte. Ihren Ausgang hatte der auch »Jasminrevolution« getaufte Aufstand mit der Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohammed Bouazizi in der zentraltunesischen Stadt Sidi Bouzid am 17. Dezember 2010 genommen (siehe den jW-Schwerpunkt vom 18. Dezember 2015).

Als »Krönung der friedlichen Revolution« (AFP) gilt die Präsidentschaftswahl im Dezember 2014, die der säkulare Politikveteran Béji Caïd Essebsi gewann. Das sogenannte Dialogquartett wurde im vergangenen Dezember für seinen Einsatz für die tunesische Demokratie mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Es war 2013 aufgebaut worden, als Tunesien am Rand eines Bürgerkrieges stand, und setzt sich aus vier Organisationen zusammen: dem Gewerkschaftsdachverband UGTT, dem Handels- und Industrieverband UTICA, der Tunesischen Liga für Menschenrechte LTDH und der Rechtsanwaltskammer. Sie brachten die damaligen Regierungsparteien und die im Parlament vertretene Opposition an einen Tisch.

Doch für Jubel und Feiern gibt es wenig Grund. »Die Revolution hat ihre Kinder verloren«, urteilte Arnfried Schenk zum Jahreswechsel in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit. Tunesien befinde sich spätestens seit den Anschlägen auf das Bardo-Museum im vergangenen Frühjahr in Alarmbereitschaft. Nach dem Bombenattentat am 24. November, bei dem zwölf Polizisten der Präsidentengarde getötet wurden, wurde über das nordafrikanische Land der Ausnahmezustand verhängt, der noch bis mindestens Ende Februar in Kraft bleiben soll. »Die Attentäter kommen nicht aus dem Ausland«, so der Zeit-Autor. »Es sind junge Tunesier, die als einzigen Ausweg die Flucht in den radikalen Islamismus sehen.« Fast fünftausend sollen sich der Terrorgruppe »Islamischer Staat« (IS) in Syrien und im Irak angeschlossen haben. Mehr als zehntausend weitere sollen von den Sicherheitsbehörden an der Ausreise gehindert worden sein. »Die Perspektivlosigkeit und die Enttäuschung über die unvollendete Revolution machen die wütenden jungen Männer empfänglich für das Werben der Hassprediger«, schreibt Schenk. Eine »Ben-Ali-Nostalgie« mache sich bemerkbar. »Unter ihm hätte es diese Terroranschläge nicht gegeben, sagen viele. Und verdrängen die Korruption während seiner Herrschaft.« Enttäuschte Jugend, siechende Wirtschaft, wachsender Terror – so sehe Tunesien heute aus. »Die Tunesier haben ihren Diktator vom Hof gejagt, von seinem korrupten Wirtschaftssystem haben sie sich nicht befreit.« (jW)

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