Elvis lebt und Bowie ist tot
Von Reverend Christian DabelerDer Nachricht vom Tod des David Bowie konnte ich nicht entrinnen. Sie kam im Radio, im Fernsehen, als SMS oder als Anruf – auf den ich unangemessen und verletzend reagierte: »Na und?« Dabei bin ich ein Verehrer seiner Kunst. Aber ich war vorher schon im Internet unterwegs gewesen und hatte die Nachricht aus aller Munde/Rechner vernommen.
Abgetörnt und abgestumpft war ich von den vielen Postings, Bekundungen, politischen Interpretationen seines Werks, seines Lebens. Doch hier ist eine Person und nicht ein Phänomen gestorben. Das soll Trauer sein? Zwei häufig verwendete Worte sind mir dabei besonders hängengeblieben: »bedeutet« und »begleitet«.
Leider weiß man ja von einigen Menschen die Berufe. Und wenn ein Pharmareferent schreibt, Bowie hätte ihm in seinem Leben viel bedeutet, wird mir irgendwie anders. Bedeuten heißt deuten, zeigen ... Dem Pharmareferenten wurde vielleicht gezeigt, wie man anders leben könnte – ohne sich daran zu beteiligen, dass die Welt so beschissen ist, wie sie nun mal ist. Vielleicht hat dieses Wissen dem Referenten gereicht, wie so vielen anderen. Um sich dann doch daran zu beteiligen, die Welt so beschissen zu machen, wie sie ist. Als Bowie-Fan kann man ja quasi kein schlechter Mensch sein. Da weiß man ja, wie es anders und abgefahrener gehen könnte. Theoretisch.
»Begleiten«, das andere Wort, empfand ich als noch unangemessener. Ich zumindest kenne persönlich niemanden, der von David Bowie begleitet wurde. Auf meinem Lebensweg war er in jedem Fall nicht dabei. Er kannte mich nicht, aber ich kannte seine Platten, Filme und Interviews, und das ist ja schon mal ganz schön viel. Und das war prägend für mich.
Bedeuten – begleiten – prägen: Für mich ist das keine spitzfindige Wortklauberei. Es zeigt mir, wie vampirhaft wir sind. »Elvis lebt!« Auch diese konsumverzerrte Unverschämtheit musste man nun in Verbindung mit Bowie lesen. Tut er aber nicht. Er ist gerade gestorben. Wie empathielos kann man eigentlich sein? »Du wirst uns fehlen!« das klingt immer so, als wäre genau das Gegenteil gemeint: Bitte stör mich nicht mit deinem Tod.
Ich hatte als Jugendlicher meine Bowie-Platten vor anderen geheim gehalten. Ich weiß jetzt wieder wieso. Und ich finde es komisch, dass ich nirgendwo eine mitfühlende Bekundung für Bowies Frau, seine Kinder und seine engsten Freunde gelesen habe. Für die, die jetzt mit dem ganzen Mist zurückgeblieben sind. Und für die es vielleicht wie Hohn klingen mag, wenn jemand postet, Bowie hätte ihn sein Leben lang begleitet. Hat er nicht, er kannte die meisten von uns gar nicht.
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