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Aus: Ausgabe vom 20.01.2016, Seite 3 / Schwerpunkt

Möchtegerndiktator lässt ahnden

Wegen der Bezeichnung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als »Möchtegerndiktator« muss sich der Oppositionspolitiker Kemal Kilicdaroglu vor der Justiz verantworten. Dem Vorsitzenden der Republikanischen Volkspartei (CHP) werde »Beleidigung des Präsidenten« vorgeworfen, berichtete am Montag die Nachrichtenagentur Anadolu. Laut türkischen Medienberichten verlangt Erdogan zudem umgerechnet 30.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz von dem CHP-Vorsitzenden.

Kilicdaroglu war am Samstag an der Spitze der sozialdemokratischen CHP bestätigt worden. Auf dem Parteitag kritisierte er Erdogan wegen der jüngsten Festnahmen von fast 20 Wissenschaftlern, die in einer Petition ein Ende des Militäreinsatzes in den kurdischen Gebieten gefordert hatten. »Intellektuelle, die ihre Meinung sagen, werden einer nach dem anderen von einem Möchtegerndiktator gefangengenommen«, sagte Kilicdaroglu. »Wie könnt ihr es wagen, den Leuten die Polizei ins Haus zu schicken und sie festzunehmen. (…) Sagen Sie uns, Möchtegerndiktator, was für Sie Ehre und Stolz bedeuten.«

Laut Anadolu drohen Kilicdaroglu bei einem Schuldspruch wegen Beleidigung des Präsidenten bis zu vier Jahre Haft. Erdogans Anwälte sprachen von »außerordentlich schweren Beleidigungen«, die »die Grenze der Kritik überschreiten und die Rechte unseres Mandaten verletzen«.

Auf Antrag der Linken befasst sich an diesem Mittwoch das Europaparlament in Strasbourg mit der jüngsten Verhaftungswelle in der Türkei. Am Freitag kommt der türkische Ministerpräsident Ahmed Davutoglu zu Regierungskonsultationen nach Berlin. Proteste dagegen sind angekündigt.(AFP/jW)

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