Havel fordert von Kohl rasche Bildung des Hilfsfonds
Prag hat am Donnerstag den Druck auf Bonn verstärkt, Verzögerungen beim Start des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds zu verhindern. In einem Brief an Bundeskanzler Kohl forderte Präsident Vaclav Havel nachdrücklich zur Schaffung des versprochenen Hilfsfonds für Nazi-Opfer auf. Er sollte noch vor Jahresende eingerichtet werden, sagte sein Sprecher. Außenminister Kinkel hatte seinem tschechischen Kollegen Jaroslav Sedivy am Vortag am Rande des Euro-Atlantischen Rates in Brüssel erklärt, Bonn wolle den Start des Fonds verschieben. Bei seiner Rückkehr nach Prag hatte Sedivy betont, Bonn sei für die Verzögerung verantwortlich. Er sei bereit, zur Unterzeichnung des Abkommens »notfalls auch zu Silvester« nach Bonn zu kommen.
Laut dem Bonner Regierungssprecher Hausmann laufen derzeit noch Gespräche zwischen beiden Seiten. Sie seien »auf gutem Wege«. Die Verzögerung steht in Zusammenhang mit der Forderung der Sudetendeutschen, im Verwaltungsrat des Fonds vertreten zu sein, was die Regierung in Prag ablehnt. Die Sudetendeutschen hätten schließlich auch nicht die deutsch-tschechische Versöhnungserklärung mitgetragen, argumentiert die tschechische Regierung. Zuvor war bekanntgeworden, daß entgegen bisheriger Bonner Zusagen der in der bilateralen Erklärung vereinbarte Zukunftsfonds seine Arbeit nicht schon am 1. Januar 1998 aufnehmen kann. Hausmann erklärte am Mittwoch, Kohl und Havel hätten am Sonnabend am Rande des EU-Gipfels in Luxemburg vereinbart, noch offene Fragen bis Ende Januar zu klären. Mit Blick auf die vereinbarte Vertraulichkeit lehnte es Hausmann ab, darauf näher einzugehen.
Nach den Sozialdemokraten forderte auch der Rechtsexperte der Bündnisgrünen, Volker Beck, die Bundesregierung auf, deren Blockade der Entschädigung der tschechischen Nazi-Opfer aus den Mitteln des Zukunftsfonds aufzugeben. »Hier muß schnell gehandelt werden, will man die Opfer noch erreichen.« Er begrüßte, daß die Opferverbände und die jüdischen Gemeinden in Tschechien mit der Einrichtung eines Sozialwerkes, das aus den Mitteln des Zukunftsfonds gespeist werden solle, einen Lösungsweg aufgezeigt hätten. »Jetzt sollte die Bundesregierung nicht länger mit inakzeptablen Personalvorschlägen für den Verwaltungsrat des Zukunftsfonds bremsen«, erklärte Beck.
AP/AFP/jW
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