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Aus: Ausgabe vom 20.02.2016, Seite 10 / Feuilleton

Grammatisch falsch ist nicht beleidigend. Oettinger versus Petry

Von Wiglaf Droste

Der noch hinhörende Teil der Deutsch-Sprechenden hat sich daran gewöhnt, den CDU-Politiker Günther Oettinger zuallererst als peinliche Person wahrzunehmen. Das ist verständlich; wer den Marinerichter a. D. Hans Filbinger posthum zum »Widerstandskämpfer« gegen ein verbrecherisches System erklärt, das dieser nach Kräften und zur eigenen Vorteilsnahme stützte und das er sogar noch nach dessen Untergang aggressiv vertrat, hat nicht alle Steine auf der Schleuder oder Böses im Sinn. Auch, dass Oettinger während seiner Zeit als Ministerpräsident Banden-Württembergs öffentlichkeits- und werbewirksam ein in Stuttgart ansässiges italienisches Restaurant frequentierte, bevor er dann ganz schnell als EU-Kommissar nach Brüssel weggelobt werden musste, weil der Edelschuppen sich als Mafia-Räuberhöhle entpuppt hatte, spricht nicht für Oettingers intuitive wie kognitive Befähigungen.

Aber wie der höchst selten irrende Volksmund kundtut: »Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn«. In das muss Oettinger eine Flinte geworfen haben, bevor er öffentlich erklärte: »Wenn die komische Petry meine Frau wäre, würde ich mich heute nacht noch erschießen.«

Das ist keineswegs die »Beleidigung«, die AfDisten und viertelalphabetisierte Journalisten darin erkannten, sondern zunächst und typisch für Oettinger grammatisch falsch. Es gilt in der deutschen Sprache die von Harry Rowohlt formulierte Regel »Nach ›wenn‹ nie ›würde‹ – außer in ›wenn Würde töten könnte‹«; der Satz müsste also korrekt beispielsweise lauten: »Wenn die komische Petry meine Frau wäre, erschösse ich mich noch heute nacht.« Auch die Variante »Wäre die komische Petry meine Frau, würde ich mich heute nacht noch erschießen« wäre möglich.

Substantiell ist gleichfalls keine Beleidigung der Frau Petry zu erkennen; es handelt sich vielmehr um eine Selbstbezichtigung, denn der sich selbst als Schützen imaginierende Oettinger wäre ja nicht imstande gewesen, in einer Vulgärvulva reiner Niedertracht den simplen Apparatschik des Bösen zu erkennen, sondern im Gegenteil mit dem Drachen inteam geworden und hätte somit allen Grund, die Waffe gegen sich selbst zu richten.

Oettingers Äußerung war nicht analytisch erhellend, sondern rein emotional und unbedacht, dieses aber in keinem schlechten Sinn. Verglichen mit dem Appeasement, das der amtierende deutsche Kukident Jogi Gauck gegenüber der AfD propagiert und praktiziert, vermittelt Oettingers Redebeitrag immerhin einen Streifschuss der Erkenntnis. Man soll eben niemanden unterschätzen.

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