Bahn will Züge ohne Fahrer
Berlin. Nicht nur Autos sollen künftig autonom fahren, sondern auch Züge der Deutschen Bahn. Spätestens 2023 werde die Bahn so weit sein, »dass wir in Teilen unseres Netzes vollautomatisch fahren können«, sagte Bahnchef Rüdiger Grube der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Freitagausgabe). Die Eisenbahngewerkschaften kritisieren Grubes Pläne scharf. De facto experimentiert die Deutsche Bahn bereits seit längerem mit fahrerlosen Zügen.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, reagierte regelrecht ungehalten auf den Vorstoß. Er kriege »nur die kalte Wut«, sagte er dem Radiosender HR 1. »Wenn Herr Grube nichts anderes zu tun hat, als von der Zukunft zu fabulieren, aber die Gegenwart nicht organisieren kann, dann gibt es eine drauf«, sagte er mit Blick auf die Probleme der Deutschen Bahn. In einer Presseerklärung wies die Lokführergewerkschaft darauf hin, dass der Ausbau der »Geisterbahn« viel Geld koste, »das dann wieder einmal für einen vernünftigen Ausbau in der Fläche fehlt«. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sieht beim fahrerlosen Zug vor allem »noch viele technische und vor allem rechtliche Fragen ungeklärt«, wie ein Sprecher erklärte. Nicht alles, was technisch machbar sei, werde auch von den Kunden akzeptiert.
Das autonome Fahren ist momentan in der gesamten Verkehrsbranche Thema. Etliche Autohersteller arbeiten an selbstfahrenden Fahrzeugen. Auf der Schiene sind in vielen Ländern bereits U-Bahnen und Metros ohne Lokführer unterwegs. Im Fern- und Regionalverkehr steuert dagegen noch immer ein Lokführer den Zug – er beschleunigt, bremst, muss Signale beachten und auf unvorhergesehene Situationen reagieren. Komplett automatisierte Züge haben laut Siemens, also einem potentiellen Nutznießer solcher Großaufträge, mehrere Vorteile: Sie könnten schneller hintereinander fahren, weil Bremsweg, Geschwindigkeit und der kleinstmögliche Abstand ständig berechnet werden, wie der Industriekonzern in einer Präsentation seiner Projekte zu fahrerlosen Zügen schreibt. Außerdem könne bei hohem Passagieraufkommen zügig eine weitere Bahn eingesetzt werden – ohne dass auch ein Lokführer bereitstehen muss.
Weselsky ist indes davon überzeugt, der Bahnkonzern wolle vor allem »vom aktuellen Chaos ablenken«: »Und wer im Hier und Jetzt des Jahres 2016 nicht in der Lage ist, das komplexe Eisenbahnsystem auch nur ansatzweise zuverlässig und pünktlich zu organisieren, wer sich damit rühmen muss, bald wieder 80 Prozent Pünktlichkeit zu erreichen, wer täglich Tausende unserer Kunden mit ausfallender Technik und verpassten Anschlüssen verärgert, weil es im Sommer zu warm und im Winter zu kalt ist, der vergeht sich ein weiteres Mal an dem einst ökologischen, sicheren, zuverlässigen und pünktlichen Verkehrssystem.« (AFP/jW)
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