Jubel der Woche: Straube, Mann, Voss
Von Jegor JublimovIch meine, Jeans sind eine Einstellung und keine Hosen.« Und: »Edel ist wieder, wenn einer auf Rente ist und trägt dann Jeans, mit Bauch und Hosenträgern.« Als ich Edgar Wibeau – pardon! – Reinhard Straube vor ein paar Jahren in Halle traf, hatte er ein Bäuchlein und trug natürlich Jeans! Der Schauspieler, der morgen 70 wird, prägt seit 46 Jahren das Theaterleben in Halle und verhalf ihm zu überregionaler Ausstrahlung.
Nach der Uraufführung von Ulrich Plenzdorfs »Die neuen Leiden des jungen W.« erlebte er, dass junge Zuschauer aus der ganzen DDR nach Halle pilgerten, um ihn zu sehen. Gelegentlich mischte er bei Film und Fernsehen mit, aber das Wichtigste blieben seine Theaterhauptrollen in »Amadeus« oder »Tod eines Handlungsreisenden«. Im Herbst wird Straube in seinem neuen Lieblingsstück »Der fröhliche Hypochonder« zum 100. Mal im Neuen Theater auf der Bühne stehen.
Horst Schönemann, Regisseur jener »Neuen Leiden«, wagte es 1973 in seiner Berliner Inszenierung des Stücks am Deutschen Theater, die Titelrolle mit Dieter Mann zu besetzen, der da schon über 30 war. 1964 hatte er sein Debüt als ungestümer, gleichwohl nachdenklicher junger Mann in Wiktor Rosows »Unterwegs« gegeben. Er beherrschte sein Handwerk blendend! Als Edgar Wibeau überzeugte er und spielte die Rolle mehr als 300mal. Wie Straube blieb auch Mann seiner Stadt treu, wurde an seinem Stammhaus 1984 sogar unter denkwürdigen Umständen Intendant. Er öffnete das Haus für unbequeme Autoren und Regisseure, ließ im Herbst 1989 kritische Geister wie Walter Janka, Stefan Heym und Robert Havemann zu Wort kommen. Darüber berichtet er in seiner Lebensbilanz »Schöne Vorstellung«, die gerade im Aufbau-Verlag erschien, detailliert und mit der ihm eigenen Lakonie. Nur nebenbei erwähnt der seit Montag 75jährige, weshalb er nun kürzer treten muss: Der Kampf gegen die Parkinsonkrankheit fordert Kraft.
Vielen Kino- und Fernsehfilmen mit Dieter Mann – er spielte Hauptrollen in »Auf der Suche nach Gatt« (nach Erik Neutsch), »Brandstellen« (F. J. Degenhardt), »Die Rache des Kapitäns Mitchell« (Brecht) und »Glück im Hinterhaus« (Plenzdorf) – haben sich große Filmkritikerinnen der DDR wie Rosemarie Rehahn (Wochenpost), Jutta Voigt (Sonntag), Renate Holland-Moritz (Eulenspiegel) und die vielleicht vielseitigste von ihnen, Margit Voss, gewidmet. Letztere, die heute ihren 85. feiern kann, war nicht nur eine Institution mit einer jahrzehntelangen wöchentlichen Sendung im Berliner Rundfunk. Ihre Beiträge in Zeitschriften wie Filmspiegel oder Film und Fernsehen zeigten einem großen Publikum eindrucksvoll, wie differenziert man Filme betrachten kann.
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