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Aus: Ausgabe vom 23.06.2016, Seite 11 / Feuilleton

Der längste Tag

Von Wiglaf Droste

Wenn soziale Demokraten / Wahrheit, statt sie zu verraten, / ausnahmsweise deutlich sagen, / geht es ihnen an den Kragen.

Am Montag watschte FAZ-Mitherausgeber Berthold Kohler den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf Seite eins seines Blattes dafür ab, dass der Sozialdemokrat ein demonstratives NATO-Manöver an der Grenze zu Russland als »Säbelrasseln«, »Kriegsgeheul« und »Anheizen der Lage« bezeichnet hatte, was nichts als eine rhetorisch etwas altbackene, aber zutreffende Beschreibung ist.

Kohler, ein Stilist von DIN- A-Gnaden, sieht das »freilich« anders, denn am »freilich«-Theater kommt auch dieser Plumpsleitartikler nicht vorbei: »Damit werden die Tatsachen freilich auf den Kopf gestellt«, moniert Kohler, dem offensichtlich der Kopf in die Füße gerutscht ist, damit umgekehrt ein Schuh oder Schmu draus werden kann bei der Écriture oder Confiture automatique.

Sogar eine Neigung zum »Appeasement« warf Kohler dem SPDisten Steinmeier vor; wir erinnern uns: Appeasement war die – zutreffende – Anschuldigung gegen Chamberlain, auf Hitlers Annektionspolitik mit Einlenken zu reagieren und sie damit, wenn auch ungewollt, weiter anzufachen. Und schon haben wir ihn wieder, den Bild-gekrönten »Russen-Hitler« Putin, dessen »Russenliebchen« dann Steinmeier wäre.

So simpel geht es zu im Kopf des FAZisten Kohler, der auf den Ruf »Berthold Kohler Zeitungsgott!« vergeblich warten muss, vom längsten Tag des Jahres bis zum Jüngsten oder Jüngersten.

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