Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Sa. / So., 21. / 22. Dezember 2024, Nr. 298
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 20.08.2016, Seite 3 / Schwerpunkt

Experten: Tötung liegt nahe

In einem Vorgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Würzburg vom Februar 2015, in Auftrag gegeben von der Staatsanwaltschaft Dessau, stellen Michael Bohnert und Gerold Kauert die Hypothese auf: »Jalloh ist bewusstlos (z. B. infolge Traumatisierung), dritte Hand zündet PU-Material (Matratzenfüllstoff, d. Red.) an, und Jalloh stirbt unmittelbar nach wenigen Atemzügen.« Dies, so erklären sie dazu, »würde den morphologischen, toxikologischen und neurochemischen Befunden nicht widersprechen«.

In einer zweiten Hypothese fassen die Rechtsmediziner mehrere Zündungsvorgänge ins Auge: »Zunächst wird ohne Brandbeschleuniger ein Feuer an der Matratze entzündet, an dem Jalloh einen Hitzeschock über einer Flamme erleidet und stirbt. Es kommt zu einer weiteren Brandlegung unter Verwendung von Brandbeschleunigern.« Dies, so Bohnert und Kauert, »würde am ehesten der Auffindesituation nahekommen, die durch alleinige Entzündung des PU-Materials nicht erklärbar ist«. Die Verwendung von Benzin wäre »wegen der postmortalen Kontamination nicht in Körperflüssigkeiten oder -geweben nachweisbar«. Negative Kohlenmonoxidwerte und weitere Analysen stünden damit im Einklang.

Allerdings räumen sie ein: Wäre Oury Jalloh vor dem Einsatz von Brandmitteln an einem Hitzeschock gestorben, hätte er sich weit über die Flammen beugen müssen. 2012 erklärte Bohnert vor dem Landgericht Magdeburg auf Anfrage der Nebenklage, die gestreckte Auffindeposition der Leiche passe nicht dazu. Jalloh wäre dann in gebeugter Haltung verbrannt. Darauf hat Peter Iten, ehemaliger Leiter der Abteilung Forensische Chemie/Toxikologie am Institut für Rechtsmedizin Zürich, eine Antwort. Ein Ergebnis wie bei Jalloh sei nur möglich, »wenn ein Brand explosionsartig ausbricht, beispielsweise durch Übergießen mit Brandbeschleuniger und Anzünden, wo eine Person im Feuerball nicht mehr in der Lage ist, die heißen Brandgase längere Zeit einzuatmen«. Dies würde, sagte er im Oktober 2015 gegenüber dem MDR, »das ganze toxikologische Bild zwanglos und einheitlich erklären können«. Denn einig ist er sich mit den Würzburger Medizinern und weiteren befragten Experten: Das Opfer müsse die Flammen direkt eingeatmet haben und schnell gestorben sein. Sonst wäre Kohlenmonoxid in seinem Blut nachgewiesen worden. (sbo)

Mehr aus: Schwerpunkt