Rote Sommerschule 2016
Europäer und Nordamerikaner haben die Menschenrechte, mit denen die Gleichberechtigung aller zum Gesetz erhoben wird, für sich gepachtet und führen in ihrem Namen einen Krieg nach dem andern. Sie lehren in ihren Schulen, Menschenrechte seien bei ihnen erstmals verkündet worden. Vor allem die Unabhängigkeitserklärung der USA vom 4. Juli 1776 und die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der französischen Nationalversammlung vom 26. August 1798 werden genannt. Diese Dokumente stellten tatsächlich einen Fortschritt dar, wenn man davon absieht, dass z. B. Sklaven, aber auch Kinder und Frauen im Verständnis vieler ihrer Autoren nicht als Menschen galten. Vor allem aber ging die rechtliche Gleichheit mit massenhafter, neuer sozialer Ungleichheit einher. Der französische Schriftsteller Anatole France spottete daher 1894 über die »majestätische Gleichheit des Gesetzes, das Reichen wie Armen verbietet, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen«. Dabei ist es geblieben. Die Europäische Menschenrechskonvention von 1950 blendet den Anspruch auf soziale und kulturelle Gleichberechtigung einfach aus.
Das ist woanders anders. So spielen diese Rechte in der Menschenrechtscharta der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) von 1981 eine zentrale Rolle. Vor allem aber: Die Forderung nach rechtlicher und sozialer Gleichberechtigung aller Menschen ohne Ausnahme wurde nicht in Europa oder Nordamerika zuerst aufgestellt, sondern in Afrika: 1222 in der Charta von Mande (Charte du Manden) im damaligen Mali-Reich. Sie richtet sich auch gegen Sklaverei, Hunger und Krieg. Die UNESCO erklärte sie 2009 zum immateriellen Weltkulturerbe. In deutschen Reden über Menschenrechte kommt sie nicht vor.
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