Spötter des Volkes
Der Theatermacher Dario Fo wusste die Tradition der Verspottung als »Waffe der Unteren gegen die Oberen« einzusetzen. Vom Großvater, einem Gemüsehändler und »Favolatore«, mit den Erfordernissen des Volkstheaters vertraut gemacht, schrieb Fo rund 70 Stücke, Szenenfolgen oder Sketche, zumeist mit seiner Frau Franca Rame (1929–2013).
1959 gründete das Paar eine »Compagnia«, deren Farcen nach der Uraufführung im Mailänder Piccolo-Theater durch Italien tourten. Für erstes größeres Aufsehen sorgte 1960 die Komödie »Erzengel spielen nicht am Flipper«. Zwei Jahre später übernahm Fo die Moderation der TV-Sendung »Canzonissima«, die 1964 aus politischen Gründen abgesetzt wurde. Es folgte ein TV-Auftrittsverbot, gegen das Fo klagte.
Als der spektakuläre Prozess 1974 in letzter Instanz gegen ihn entschieden wurde, hatte sich der Theatermacher längst vom »Hofnarren der Bourgeoisie« zum »fahrenden Sänger des Volkes« entwickelt, wie er selbst sagte. Er war Mitglied der KP geworden und mit dem ihr nahestehenden Kollektiv »La Nuova Scena« durch Fabriken, Gefängnisse und Supermärkte getourt.
Gegen die »Schändung der religiösen Gefühle« im Ein-Mann-Passionsspiel »Mistero buffo« (1969) protestierte Papst Paul VI. bei der Regierung in Rom. Rund 40 mal wurde Fo wegen Verhöhnung der Mächtigen vor Gericht geladen, mehrmals von der Bühne abgeführt. Zu den wichtigsten seiner in mehr als 30 Sprachen übersetzten Stücke zählen die Enthüllungssatire »Zufälliger Tod eines Anarchisten« (1970) und »Bezahlt wird nicht!« (1974).
Als Autor, »der in der Nachfolge der mittelalterlichen Gaukler die Macht geißelt«, erhielt Fo 1997 den Literaturnobelpreis. Ein Jahr später produzierte seine Truppe die Farce »Marino libero! Marino è innocente!« über einen Prozess gegen Mitglieder der linksradikalen »Lotta continua«.
2003 gehörte Fo zu den Gründern des spendenfinanzierten Senders Atlantide TV. Als Kandidat für das Mailänder Bürgermeisteramt kam er 2006 auf ein knappes Viertel der Stimmen. Einige Jahre später schloss er sich der Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo an. Am Donnerstag ist Fo im Alter von 90 Jahren in Mailand gestorben. Schriftsteller Roberto Saviano nannte ihn auf Twitter einen »gewaltigen Intellektuellen«. (jW)
Leserbriefe zu diesem Artikel:
- Leonhard Schaefer: Lebend zensiert, tot gefeiert Ein paar Ergänzungen zu Eurem informativen Bericht: Franca Rame (…), Dario Fos Mitstreiterin 70 Jahre lang und besonders in der »Roten Hilfe« aktiv, wurde 1973 von Faschisten entführt und vergewaltigt...
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