Guter Geist von Eppendorf
Von Wiglaf DrosteHamburg, Eppendorfer Landstraße, im Rücken den Ernst-Thälmann-Platz, ein paar Meter voraus lebte Harry Rowohlt, in der angenehm oldschooligen Buchhandlung »Das Buch in Eppendorf« kaufe ich Willi Winklers Großwerk »Luther. Ein deutscher Rebell«, auch dieser Autor lebt gleich um die Ecke, die Gegend ist ruhig und hat in Teilen noch gewachsene Infrastruktur, die hippen, charakterfernen IT-Geldscheffel und die Kettenbillighöker machen derzeit noch andere Stadtbezirke in die Dutten.
Menschen mit Geld und mit ohne Geschmack gibt es selbstverständlich auch hier; eine sehr aufgeputzte, hoch gewachsene und noch höher beabsatzte magere Dame mit hoher Nase, ins Verächtliche spielendem Strichmund und eisigen Augen, geht schnurgerade wie mit Scheuklappen ihres Wegs, anderer nicht achtend. Doch selbst die De-Luxe-Sorte Mensch muss zuweilen Orte aufsuchen, zu denen auch der Kaiser zu Fuß geht, wie eine Redensart sagt, und deshalb trägt das edle Geschöpf eine sehr profane Zwölferpackung Toilettenpapier bei sich, wahrscheinlich neunlagig, für den zarten Steiß und angrenzende Regionen.
Ich denke an Harry Rowohlt; was hätte er später bassbrummend über die Anmutung eines ephebischen Arsch- und Derwisches gesagt? »Schnalle«, schön lang gedehnt? Oder einfach nur »Oh, bei Madame wird heute wieder einiges weggeschissen«? Man kann ihn nicht mehr fragen, aber sein guter Geist weht und wandelt noch immer durch Hamburg-Eppendorf.
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