Hochinteressant
Von Wiglaf Droste»Das ist hochinteressant!« pflegte mein Vater zu behaupten, als er noch Gymnasiallehrer und später sogar Schulleiter wurde; nach diesem Satz wusste man: Ohren auf Durchzug, die monologische Ödnis naht. Der erste, der mir die wahre Bedeutung der Blähvokabel »hochinteressant« erschloss, war Harry Rowohlt. Wenn ihn jemand vollquallte, beäppelte und belegte, pflegte er zu brummen: »Das ist ja hochinteressant«, um sich anschließend schnurstracks für den Rest des Abends vor dieser Person zu verdrücken.
Man soll seine Eltern ehren, wo, wann und wenn es richtig ist; wenn man andere Lehrer findet – und der Lehrer bedarf man! –, ist das kein Affront, sondern eine Weltsichterweiterung für alle Beteiligten. Als mich die Mediendame Else Buschheuer einmal ins heute nicht mehr existierende Kreuzberger Restaurant »Semi Lasso« an der Ecke Muskauer und Pücklerstraße bat – »Semi Lasso« ist das Pseudonym für den eingeheirateten Fürsten von Pückler und Muskau –, obenrum komplett blankzog und mich fragte: »Na? Wie findest du meine Möpse?«, antwortete ich: »Hochinteressant!«, bat um die Rechnung, beglich sie zügig und zahlte. Die Willkür des »Hochinteressant« hat viele Gesichter, dachte ich noch milde und ging herrlich unbehelligt in mein Bettchen.
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