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Aus: Ausgabe vom 09.02.2017, Seite 11 / Feuilleton
Berlinale

Uns gibt es nicht. Eine Studie zur Berlinale-Programmauswahl

Von Grit Lemke

Schon der Genosse Lenin wusste, dass Film die wichtigste der Künste ist – und da kannte er die Berlinale noch nicht. Was dort in den nächsten Tagen läuft, wird – egal, wie viele Menschen es tatsächlich sehen – Eingang in die Medien, die Schlagzeilen, die Köpfe, den Diskurs finden. Festivalmacher üben Macht aus. Insofern lohnt ein Blick darauf, wie das größte und wichtigste deutsche Festival sein Programm gestaltet. Eine gerade veröffentlichte Studie von Tanja C. Krainhöfer, Konrad Schreiber und Thomas Wiedemann untersucht, wie die Berlinale zwischen 1980 und 2016 dem immer wieder von deren Intendanten geäußerten Grundsatz »It’s all about diversity« in ihrer Filmauswahl gerecht wurde. Kriterien waren Geschlecht, Alter und Herkunft der Filmemacherinnen und -macher, letzteres in Bezug auf die Sozialisation in den neuen oder alten Bundesländern.

So wenig überraschend die Ergebnisse, so erdrückend ist deren empirische Beweislast. Dagegen, dass Frauen wie auf anderen Festivals unterrepräsentiert sind, geht mittlerweile u. a. »Pro Quote« an. Mindestens ebenso schwerwiegend und bislang nirgendwo thematisiert aber ist die Tatsache, dass ostdeutsche Filmleute, Biographien, Geschichten und Lebenswelten auf dem wichtigsten deutschen Festival – und eben generell – so gut wie nicht vorhanden sind.

Drei Phasen der Ossi-Repräsentanz macht die Studie aus: Zwischen 1982 und 1990, als man noch meinte, die DDR mit vertreten zu müssen, gab es auf der Berlinale jährlich einen bis zwei DDR-Filme im Wettbewerb und in zweistelliger Zahl im Gesamtprogramm. Einen Allzeitrekord von 17 ostdeutschen Beiträgen verzeichnet das »Wende«-Jahr 1990. Der daraufhin einsetzende rasante Abwärtstrend erreichte 2005 mit einem einzigen Werk den Tiefstand. Zwischen 2002 und 2016 schafften es insgesamt gerade mal 20 abendfüllende Produktionen von Ostdeutschen in das Berlinale-Programm. Die Autoren der Studie sprechen von einem »sukzessiven Verschwinden von Filmwerken ostdeutscher Regisseure«. Lediglich Andreas Dresen, seit 1991 schon 15mal vertreten, hat es in die heiligen Hallen bundesdeutscher Wahrnehmung geschafft.

An anderer Stelle vermerkt die Studie, dass es für die Auswahl von Filmen von Regisseurinnen entscheidend wäre, ob Frauen in den Auswahlgremien säßen. Zugleich begrüßen sie, dass derzeit zwei (in Zahlen: 2!) Menschen ostdeutscher Herkunft in Berlinale-Gremien vorhanden seien (wobei keine verlässlichen Zahlen vorlagen). Deren Einfluss kann nicht allzu groß gewesen sein. Ein Blick auf das diesjährige Berlinale-Programm zeigt: Uns gibt es nicht.

Studie zum Download unter: www.filmfestival-studien.de

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