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Aus: Ausgabe vom 06.03.2017, Seite 11 / Feuilleton
Glosse

Deutsch metallic

Von Stefan Gärtner

Gottlob bin ich geizig genug, um nicht arrogant werden zu müssen, denn die Rezensionsexemplare von Eduard Engels’ »Deutscher Stilkunst« (1911), zweibändig für die »Andere Bibliothek« neu aufgelegt, sind vergeben, und trotz freundlichen Rabatts wären fast 50 Euro herzugeben für den Vorgänger, das Vorbild, die Blaupause von Ludwig Reiners’ legendärer »Stilkunst«, die über weite Passagen bei Engels abgeschrieben ist. Also verzichte ich nicht (oder nicht hauptsächlich), weil ich es nicht nötig hätte, sondern weil es das Plagiat schon für ein Taschengeld gibt.

Reiners soll sich bei der 30. (!) Auflage von Engels’ Stilkunst bedient haben, und auch des Nazis Reiners Stilbücher waren Bestseller, geradezu Volksbücher, jedenfalls fürs lesende Bürgertum, dem der erste und beste Grund aller sprachlichen Bemühung noch eingeleuchtet haben mochte: »Denken und Ausdruck sind auf das innigste verkettet. Wer seinen Stil verbessert, schult auch sein Denken« (Reiners, Stilfibel, München 1951, 86.–99. Tausend). »Stil« wäre hier also das Äquivalent, sogar das Substrat von Bildung, während heute genau die Leute zu Bastian Sick greifen, deren »kreuzdumme Fertigteilsprache« (Heinz Strunk) kaum Denken mehr zulässt, die aber wissen, dass, wer brauchen ohne »zu« verwendet, auch gleich auf die Hauptschule gehen kann.

Gelesen wird ja nicht mehr oder bloß Schund, so dass sich Sprache fast ausschließlich aus den Medien versorgt, die seit Krausens Zeiten nicht eben klüger geworden sind; und dass etwa Juli Zeh so schreibt, wie das Fernsehen spricht (sogar, seien wir ehrlich, noch ein bisschen dümmer), ist exakt der Grund für eben jenen Massenerfolg, der einer ernstlich besorgten Stilkunde gar nicht mehr blühen kann. Weshalb »gutes Deutsch« nun als die polierte Antiquität verhökert wird, die es lange schon ist: »Besonders raffinierte Typographie im Buch, metallic schimmerndes Bezugsmaterial, mit einem farbigen Leitsystem bedruckter Schuber, Fadenheftung« (Verlagswerbung). Eine Stilkunde in raffiniertem Metallic: kein Denken hinter solchem Ausdruck. Beziehungsweise das garantiert verkehrte.

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