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Aus: Ausgabe vom 13.03.2017, Seite 11 / Feuilleton
Droste

Die Mondin und die Unterschiedin

Von Wiglaf Droste

Was ist männlich, was ist weiblich, was sächlich, und warum bin ich das? fragen sich mancher Landsmann, manche Landsfrau und manches Landeskind, und mancher und manchem von ihnen möchte ich sagen: Mantje, Mantje, Timpe Te, viel ist weiblich, das ich seh’, und das ist nicht nur romantisch, sondern in erster Linie romanisch. Der und das Deutsche beharren darauf, dass es richtig und männlich »der Unterschied« heißen müsse; mit diesem kleinen Bisschen konnte selbst die neuntelkluge Alice Schwarzer reüssieren, bevor sie in dem ihr angemessenen Meer aus Selbstdarstellung, Bild-Geifer, Steuerhinterziehung und Karnevalismus im Endstadium versank. Dieses Meer ist in Deutschland sächlich, in romanischen Sprachen aber weiblich; das Meer ist schlachtschiffgrau, la mer est bleue, und la mer klingt nicht von ungefähr wie la mère, die Mutter.

Was germanisch-mickrig eindimensional und deshalb aufgeblasen »der Unterschied« heißt, ist in romanischen Sprachen vielschichtig weiblich: la différence auf französisch, la differenza auf italienisch, la diferencia auf spanisch, a diferença auf portugiesisch. Das klingt weich und verlockend nach Leben, nicht statisch und starr: Der Un-ter-schied lebt und liebt nicht, sondern hackt, und deshalb ist der lebensbejahende Ausruf »Vive la différence!« auch ein romanischer.

Ähnlich verhält es sich mit dem Mond; tief in der Nacht ist er kalt und lugt bösartig in die Fenster, jedenfalls immer dann, wenn er neu oder voll ist und nicht freundlich sichelt. Das Biederlied vom »guten Mond«, der »so sti-hille durch die Abendwolken hin« geht, ist nicht nur eine glatte Lüge, es kann sich auch niemals mit »Guarda che luna« von Fred Buscaglione aus dem Jahr 1959 messen. Das Angelsächsische weiß ebenfalls, wie irrational es ist, »moonstruck« zu sein und dass die »Lunatics« die Verrückten sind. »The Lunatics have taken over the asylum«, sangen Fun Boy Three 1982. La Luna ist weiblich, irrational, aufregend, sinnlich und verwirrend.Und was singt das Männlich-Ich, das dem Weiblich-Ich zugetan ist?

»Kommt her, ihr Mondinnen, / ihr süßen! / Lasst uns die Unterschiedinnen / genießen!«? Warum eigentlich nicht? Ich wäre jedenfalls mit aller Freude an Egalité und Différence als Sänger dabei.

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