Vom Restleben restleben
Von Wiglaf DrosteDie Stimme am Telefon wünschte mir »noch eine schöne Restwoche«; Klang und Färbung nach zu urteilen, gehörte sie einem Mann von nicht mehr als 25 Jahren. Es war ein Donnerstag gegen 15 Uhr; Donnerschlag, dachte ich, die jungen Dachse in der Bank – dort hatte ich angerufen – haben eine Frührentnerperspektive auf das Leben wie meine Eltern mit zusammengerechnet knapp 160 Jahren nicht.
Vom »Resturlaub« hatte ich – seit dem Frühjahr 1991 nicht mehr angestellt arbeitend – schon vernommen; geläufig waren mir auch die Worte Resteessen, Restverstand, Rest Room, Restalkohol, Restitution, Restaurant und Restmüll, und ein Gelsenkirchener Veranstalter mit dem nach Luigi Prezioso auf Platz »Numero due« mich zweitneidisch machenden Namen Doktor »Fint« Hasenkox hatte mich schon vor vielen Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass »Ü-40-Partys« in seiner Branche, aber auch von der Klientel »Resteficken« genannt würden, und das nicht nur von Schalkern, sondern auch von intelligenzzugänglicheren Existenzen. Menschen betragen sich oft schäbig, wenn man ihnen nicht ins Wort oder nötigenfalls in den Arm fällt.
Aber »Restwoche«? Also das, was dem unausweichlich folgenden »schönen WE« genannten Wochenende vorangeht? Wird es demnächst Standesbeamte und Pfarrer geben, die dem Brautpaar »eine schöne Restehe« wünschen, damit sie von Anbeginn wissen, was sie zu erwarten haben? Und wünschte man, beträte man versehentlich ein Zimmer, in dem ein Paar einander Gutes zufügt, diesem dann, um Entschuldigung bittend, »einen schönen Restverkehr«?
Ich weiß es nicht, und mein Restleben, wie lang es auch dauern möge, wird immer zu kurz sein, um dieses Restgeheimnis zu lüften.
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