Tod eines Klassikers
Mit Temperament und Passion plausibel zu machen, was ihm gefalle oder nicht, so beschrieb Joachim Kaiser einmal die Aufgabe des Musikkritikers. Das konnte der langjährige Feuilletonchef der Süddeutschen Zeitung hervorragend; seine Texte waren zumeist von einer klaren, doch leidenschaftlichen Eleganz, die ihresgleichen sucht. Dem Adornoschüler war dabei bewusst, dass die Unbeweisbarkeit ästhetischer Urteile nicht von der Pflicht zum triftigen Argument entbindet. Darin unterschied er sich von anderen zu Geistesfürsten ausgeschrienen Kollegen wie Fritz J. Raddatz oder Marcel Reich-Ranicki, die das vehement-unbegründete Meinen zelebrierten und mit denen er höchstens die Bühnen und die ungezügelte Eitelkeit teilte. Nicht zuletzt war Kaiser ein großer Popularisierer, dem daran gelegen war, seine Kunsturteile auch dem Laien verständlich zu machen. Dank ihm konnte man lernen, wie reich und ergiebig die Sprache der Kunst ist, und ihr Genuss nicht den Bildungsbeflissenen vorbehalten bleibt. Von allen Granden des BRD-Feuilletons war Joachim Kaiser nicht nur der vornehmste, sondern auch der, der am meisten zu sagen hatte. Am Donnerstag ist er im Alter von 88 Jahren in München gestorben. (pm)
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