Ich denke oft an Andi
Mit Gunnar Möller ist einer der letzten deutschen Schauspieler gestorben, dessen Karriere noch in den dreißiger Jahren begann. 1928 in Berlin-Neukölln geboren, stand er schon als Elfjähriger in Werbefilmen vor der Kamera und wurde schnell ein beliebter Kinderdarsteller an der Seite von Jenny Jugo und Heinrich George. In dem Propagandafilm »Junge Adler« spielte der Halbschwede 1944 neben Hardy Krüger und Dietmar Schönherr einen Napola-Zögling. Seine Haltung blieb jedoch unpolitisch. So stand er bis 1950 in DEFA-Filmen vor der Kamera (Hauptrolle in »Die Jungen vom Kranichsee«, 1950), arbeitete sich aber bald in der westdeutschen Filmbranche nach oben. Bis heute bleibt er als Andi in Kurt Hoffmanns nostalgischem Lustspiel »Ich denke oft an Piroschka« (1955) mit Liselotte Pulver in Erinnerung – es war seine beliebteste Rolle. Als Charakterdarsteller profilierte er sich in ausländischen Produktionen, etwa dem aufwendig produzierten tschechoslowakischen Zweiteiler »Die Tage des Verrats« (1973), in dem er Adolf Hitler verkörperte.
1979 tötete er in London seine Frau während eines Streits im Affekt. Nach zwei Jahren aus der Haft entlassen, konnte Möller in der BRD bei Film, Fernsehen, Rundfunk und Theater erneut Fuß fassen. Er heiratete seine langjährige Freundin Christiane Hammacher und trat mit ihr erfolgreich mit Loriots Sketchen auf. Für seinen letzten Kinofilm holte ihn Margarethe von Trotta 2015 vor die Kamera. In »Die abhandene Welt« absolvierte der Mittachtziger noch eine Prügelszene mit Matthias Habich. Wie die Europäische Kulturwerkstatt über ihr Ehrenmitglied meldete, ist er am Dienstag nach schwerer Krankheit im Alter von 88 Jahren gestorben. (fbh)
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